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Bunte Pappmaché-Figuren vor einer Kulisse in Valencia mit Blick in den Himmel. Foto: Marcelo/Unsplash
Valencia

Grüne Grenzgängerin

Das spanische Valencia darf sich in diesem Jahr „Umwelthauptstadt Europas“ nennen. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren viel getan, um für ihre Bürgerinnen und Bürger sowie Gäste schöner, sauberer und leiser zu werden. Aber einen Fleck auf der grünen Weste erlaubt sie sich dann doch: Ein uraltes Volksfest, UNESCO-Kulturerbe, darf bleiben.
Foto: Marcelo/Unsplash

Umwelthauptstadt oder „Grüne Hauptstadt Europas“ – für Valencia schien dieses Prädikat, das die EU-Kommission seit 2010 alljährlich an eine Stadt in einer Vorreiterrolle vergibt, längst überfällig. Nach Tallin im Vorjahr sowie Lahti und Grenoble in den Jahren 2021 und 2022 ist in diesem Jahr Spaniens drittgrößte Metropole an der Reihe. Antonio García, Valencias Generaldirektor in Sachen Grüne Hauptstadt, schaut zurück: In den 1980er-Jahren verwandelten die Stadtplaner das trockengelegte Flussbett des Rio Turia über eine Länge von neun Kilometern in einen der schönsten spanischen Parks – und nicht, wie ursprünglich angedacht, in eine Autobahn. „Das war der Startpunkt für Nachhaltigkeit“, sagt García, wenngleich der Begriff im heutigen Sinn damals noch nicht populär war. Für García bedeutet der Titel der Grünen Hauptstadt den „Lohn für die Vergangenheit und Ansporn für die Zukunft“.

Die Turia-Gärten, eine Grünfläche von mehr als neun Kilometern Länge, durchziehen die Stadt mit Erholungs- und Sportbereichen und romantischen Ecken, in denen man sich verlaufen kann. Der Park wurde im alten Bett des Rio Turia angelegt, der umgeleitet wurde, um die ständigen Überschwemmungen, unter denen die Stadt litt, zu vermeiden.
Die Turia-Gärten, eine Grünfläche von mehr als neun Kilometern Länge, durchziehen die Stadt mit Erholungs- und Sportbereichen und romantischen Ecken, in denen man sich verlaufen kann. Der Park wurde im alten Bett des Rio Turia angelegt, der umgeleitet wurde, um die ständigen Überschwemmungen, unter denen die Stadt litt, zu vermeiden. Foto: Alejandro Hikari/Unsplash

Geschenke der Natur

Im Hinblick auf ihr Naturpotenzial bringt Valencia über den Jardín del Turia hinaus beste Voraussetzungen mit: das Mittelmeer mit den Sandweiten des Strands El Cabanyal, die Obst- und Gemüsefelder des historischen Anbaugebiets „Huerta“ vor den Toren der Stadt und südlich den Naturpark Albufera mit einem riesigen Süßwassersee, der nur durch eine Sanddüne vom Mittelmeer getrennt ist. Bei einer Bootstour schippert man durch eine Szenerie aus Sümpfen, Kanälen und Reisfeldern. Zudem ist der See ein Vogelparadies, über 300 Arten sind dokumentiert. Unterwegs deutet Kapitän Jaume Dasi auf eine Kolonie von Ibissen. Nur die Flamingos sind heute ausgeflogen.

Jaume Dasi ist froh, dass es bald eine Neuerung gibt, die ins grüne Hauptstadtjahr passt, aber damit nichts zu tun hat. Bei den Booten werden die Diesel- endlich durch Elektromotoren ersetzt. „Das ist auch für mich besser wegen des Lärms“, sagt der 40-Jährige.

Geht der Spagat auf?

Apropos Lärm und bessere Luft: In Valencias Altstadt sind in jüngster Vergangenheit drei Hauptplätze in Fußgängerzonen verwandelt worden. Dort, wo vormals Sightseeing-Busse selbst nahe der Kathedrale vorbeidröhnten, atmet man nun auf. Folgt man einem Bericht der spanischen Digitalzeitung „El Confidencial“, waren vier von fünf Anwohnern der Zone mit den Maßnahmen der Verkehrsberuhigung einverstanden. Neue Grünakzente setzen Palmen, Olivenbäume und Pflanzenkübel. Dennoch bleibt die Schwierigkeit bestehen, eine 840.000-Einwohner-Stadt mit breiten, verkehrsreichen Straßen und einer nervigen Rushhour in der Gesamtheit als klimafreundlich darzustellen.

Antonio García führt an, dass das Radwegenetz in und um die Stadt auf mittlerweile 190 Kilometer angewachsen sei, und er unterstreicht: „Die Nutzung von Rädern ist in der DNA der Valencianer angekommen.“ Trotzdem lassen sich mit Rädern oder öffentlichen Verkehrsmitteln nicht alle Einkäufe erledigen. Überdies sind aus spanischer Sicht die Preise auf dem unter Touristen beliebten Zentralmarkt reichlich überzogen. Das erschwert, lokale Produzenten und das „Null-Kilometer-Konzept“ mit minimalen Transportwegen und geringer Umweltbelastung zu unterstützen. Frisch aus der „Huerta“ klingt schön und gut. Aber warum kostet ein Kilo Tomaten fünf Euro und ein Kilo Mandarinen bis zu 3,30 Euro? Da greifen manche Käufer lieber in Supermärkten zu Billigimporten.

In jedem Fall ein Augenschmaus: Der Mercat Central im valencianischen Jugendstil.
In jedem Fall ein Augenschmaus: Der Mercat Central im valencianischen Jugendstil.Foto: Juan Gomez/Unsplash

Nicht ganz so grüne Tradition

Im März, wenn Valencia seine „Fallas“ feiert, ein rund 200 Jahre altes Volksfest und seit 2016 auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit, kann von weniger Lärm und Luftreinheit, wichtigen Indikatoren einer grünen Hauptstadt, nicht mehr die Rede sein. Die Fallas zählen zu den lautesten und kontaminationsreichsten Volksfesten Spaniens. Unter Knallkörpern entlädt sich allerorten die Freude. Und in der „Nacht des Feuers“ vom 19. auf den 20. März gehen hunderte Figuren und Ensembles aus Holz und Pappmaché in Rauch und Flammen auf und begrüßen symbolisch das Frühjahr.

Die „Fallas“, bei denen in Valencia aufwendige Figuren aus Pappmaché zur Schau gestellt und anschließend verbrannt werden, zählen zu den traditionsreichsten Volksfesten Spaniens und stehen seit 2016 auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO.
Die „Fallas“, bei denen in Valencia aufwendige Figuren aus Pappmaché zur Schau gestellt und anschließend verbrannt werden, zählen zu den traditionsreichsten Volksfesten Spaniens und stehen seit 2016 auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO.Foto: Marcelo/Unsplash
Brennen statt Böllern: Am Ende der Fallas-Feierlichkeiten in Valencia am 19. Und 20. März gehen alle Puppen in Rauch und Asche auf.
Brennen statt Böllern: Am Ende der Fallas-Feierlichkeiten in Valencia am 19. Und 20. März gehen alle Puppen in Rauch und Asche auf.Foto: LUNAMARINA/iStock

Eine überflüssigere Umweltbelastung ist kaum möglich, doch Tradition ist Tradition. Darauf will selbst in der Umwelthauptstadt Europas niemand verzichten.

Zurück zur Stille im Bett des Turia

Wer ungetrübte Luft liebt, kommt besser vor oder nach den Fallas. Ideales Fortbewegungsmittel ist das Rad. Da strampelt man ans Meer und bis zur Marina, durch die fruchtbare Huerta oder das alte Bett des Turia, einen der längsten Flussparks Europas. Palmen und Kiefern säumen die Strecke, Oleander, Orangenbäume, Bougainvilleen, dazu die Wassergärten der „Stadt der Künste und Wissenschaften“, Monumentalwerk des Stararchitekten und gebürtigen Valencianers Santiago Calatrava. Eindrücke und Farben explodieren – und das in aller Stille.

L'Hemisfèric, genannt „das Auge“, in der Stadt der Künste und Wissenschaften in Valencia, entworfen vom Architekten Santiago Calatrava, der ein Kind der Stadt an der spanischen Ostküste ist.
L'Hemisfèric, genannt „das Auge“, in der Stadt der Künste und Wissenschaften in Valencia, entworfen vom Architekten Santiago Calatrava, der ein Kind der Stadt an der spanischen Ostküste ist.Foto: imantsu

Weitere Infos

Die Eröffnungsveranstaltung findet am 11. und 12. Januar im Musikpalast von Valencia statt.

Direktflüge nach Valencia gibt es unter anderem ab München, Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf.

Im Laufe des Jahres sind knapp 400 Programmpunkte rund ums Thema der Grünen Hauptstadt Europas geplant.

Radverleih: Es gibt diverse Anbieter, unter anderem Doyoubike, Passion Bike Serranos und The Easy Way. Auch geführte Biketouren sind im Angebot.

visitvalencia.com

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