Mittwoch, 9. Oktober 2024
Mittwoch, 9.10.24
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Magazin für modernes Leben
Landwirtschaftliche Fläche mit vielen Weißkohlpflanzen. Im Hintergrund ist blauer Himmel. Foto: Wirestock
Entschleunigung an der Nordsee

Bleiben Sie doch, wo der Kohl wächst

Es muss nicht immer Sansibar sein, und auch nicht Sylt. Waren Sie schon mal in Dithmarschen?
Foto: Wirestock

„Ik bün dorbi“, wie der Dithmarscher zu sagen pflegt, „ich bin dabei.“ Also auf in den schleswig-holsteinischen Landkreis, der nur eine Autostunde von Hamburg entfernt liegt und auch per Zug ganz gut zu erreichen ist. Dem „Plattdüütsch“ werden Sie dort noch oft begegnen. Für viele Dithmarscher ist es die Alltagssprache – und sie wird auch sehr gefördert, sei es in den Schulen, aber auch durch zahlreiche Veranstaltungen, wie Stammtische oder Stadtführungen „op Platt“.

Sonnenuntergang an der Nordsee.
Probieren Sie mal den Sonnenuntergang hinterm Deich. Heinrich Heine soll gesagt haben: „Das Meer ist die allerheiligste Kirche der Welt, und die Nordsee ihre schönste Kapelle.“Foto: Carola Stückmann

Achtern Diek wartet die Nordsee

Das gut 1.400 Quadratkilometer große Dithmarschen lässt sich wunderbar erradeln, immerhin ist es dort schön „platt“. Eine tolle Strecke führt von Meldorf gut zehn Kilometer zum Speicherkoog, einem 5.000 Hektar großen Naturschutzgebiet. Es geht vorbei an Sanddornbüschen, Biotopen und Schafsweiden. Am Ziel angekommen, befindet sich vor dem Deich ein Staubecken, das sehr beliebt bei Surfern ist. Die Badestelle Elpersbüttel liegt linker Hand. Dort, achtern Diek („hinterm Deich“), wartet die Nordsee oder je nach Gezeiten endlose Watt-Weite. Im Sommer können Strandkörbe gemietet werden und es gibt einen Imbiss mit öffentlichem WC. Viele Touristen treffen Sie hier eher nicht – es ist ein ruhiger, unaufgeregter Ort und ideal für alle, die einfach das Meer, die salzige Luft oder den Sonnenuntergang genießen möchten.

Strandkörbe auf sattgrünem Rasen direkt am Nordseestrand.
Endlose (Watt-)Weite: Am Strand von Elpersbüttel stehen die Strandkörbe in vorderster Linie. Hier gibt’s keine Sandburgen, sondern sattgrüne Wiese.Foto: Sylvia Petersen
Anschnitt von einem Standkorb auf grüner Wiese mit ausgeklapptem Tischchen mit Pommes und Ketchup.
Satt wird man auch beim „Ding am Deich“, dem Strandbistro bei der Elpersbüttler Badestelle. Die Gastgeber haben sich Regionalität und Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben und wollen „mit leckeren Burgern, besten Fish 'n' Chips, feinsten Fischbrötchen, frischen Fritten, veganen Gerichten, fairem Biokaffee und selbstgemachten Kuchen Dithmarschens Geschmackshorizont erweitern“.Foto: Sylvia Petersen

Spezialitäten rund um den Dom

Der mittelalterliche Meldorfer Dom (eigentlich St. Johannes-Kirche, aber so nennt sie keiner) ist bereits von Weitem zu sehen und für viele das Wahrzeichen Dithmarschens. Der Platz um ihn herum ist ein guter Ausgangspunkt, um Meldorf zu erkunden. Viele hübsche Cafés und Geschäfte tummeln sich dort und in der Fußgängerzone. Besonders lohnt der Blick in die gut sortierte „Bücherstube“ – sie wird mit viel Herzblut betrieben. Die Frauen der „Bücherstube“ lassen sich auch immer gern auf einen kleinen „Klönschnack“ ein.

Innenansicht Kirchenschiff Backsteingotik.
Innen noch schöner als außen: Das heutige Kirchengebäude von St. Johannes in Meldorf, eine dreischiffige Basilika mit Querschiff und Chor, entstand im 13. Jahrhundert im Stil der Backsteingotik. Im 15. Jahrhundert wurde das Südseitenschiff durch eine zweischiffige Halle ersetzt.Foto: Subbass1 *
Große Eisrolle, die von einer Frau mit schwarzer Schürze und schwarzen Handschuhen mit Schokospritzern garniert wird.
Braucht Platz in der Truhe und im Magen: Der „Baumstamm“ ist eine Spezialität des Meldorfer Eiscafés Böthern. Die Rolle kostet zirka 35 Euro.Foto: Eiscafé Böthern

Ein paar Schritte weiter liegt das Eiscafé Böthern, das leckere und auch originelle Sorten, wie „Joghurt-Sanddorn“ oder „Guave-Frischkäse“, im Angebot hat. Wer Platz für mehr als eine Eiskugel und in seiner Ferienwohnung einen Gefrierschrank hat, sollte sich den „Baumstamm“ gönnen. Das ist eine Spezialität, die auf Dithmarscher Geburtstagen und Kaffeetafeln nicht fehlen darf.

Eisrührmaschine mit rosafarbenem Eis.
In der Eisdiele Böthern wird seit den 1920er-Jahren Eis hergestellt.Foto: Eiscafé Böthern

Wer hervorragend essen gehen möchte, geht ins Restaurant „V“. 2024 feiert es sein 20-jähriges Bestehen. Neben Pasta aus dem Parmesanlaib und Flammkuchen – von traditionell bis zur „Deich“-Variante – werden hier vor allem auch regionale Gerichte und Zutaten serviert.

Freitags lohnt sich, von acht bis 12:30 Uhr, ein Bummel über den Wochenmarkt. Da gibt es neben regionalem Gemüse und Honig auch fangfrische Fische und Krabben.

Naturdaunen, Käse und ganz viel Kohl

Drei Tipps zum Schluss, um den Besuch in Dithmarschen (mit den richtigen Mitbringseln) abzurunden: Käseliebhaber sollten in der „Feinkäserei Sarzbüttel“ vorbeischauen. Die 1888 gegründete Meierei verarbeitet täglich bis zu 60.000 Liter frische Rohmilch von rund 20 Landwirten aus der Region und ist die einzige noch existierende Käserei in Dithmarschen. Der „Schlemmerkäse“ ist legendär, aber intensiv im Geschmack. Wer es milder mag, greift zu anderen Sorten.

In Gudendorf hat sich der „Gänsemarkt“ als Hotspot für Dithmarscher und Touristen etabliert. Der in vierter Generation geführte Hof hält seine Gänse in bäuerlicher Freilandhaltung, ohne Lebendrupf oder Zwangsfütterung. Gäste können zum Kaffee oder Gänsebraten „einkieken“. Es gibt auch einen schönen Hofladen. Sehr begehrt sind die Kissen und Bettdecken, die ausschließlich mit Daunen und Federn frei umherlaufender Dithmarscher Gänse befüllt sind.

Was bei einem Dithmarschen-Besuch nicht fehlen darf, ist Kohl – in welcher Form auch immer. In Europas größtem zusammenhängendem Kohlanbaugebiet wachsen auf über 3.000 Hektar jährlich rund 90 Millionen Kohlköpfe heran. Das wird vor allem im September in Dithmarschen in vielen Orten und Restaurants entsprechend gefeiert – mit dem „Kohlvergnügen“ in Meldorf oder den „Kohltagen“ in Heide – auf Deutschlands größtem unbebautem Marktplatz. Ganzjährig ist das „Kohlosseum“ in Wesselburen geöffnet. Neben Führungen durchs Museum – und vielen Kohl-Anekdoten – gibt es auch einen großen Laden mit „kohl’schen“ Köstlichkeiten.

* Zusätzliche Hinweise zum Bild der dreischiffigen Basilika St. Johannes in Meldorf
Herkunft: wikipedia.org
Copyright: © Creative Commons BY-SA 4.0

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