Ein Leben für den Amazonas
Ein Mann wie ein Baum kniet in einem Seitenfluss des Amazonas. Sein Lächeln: stolz und beseelt. In seinen Armen liegt ein Fisch, ganz still, die Schuppen schimmern im Licht der Tropensonne, smaragdgrün-silbrig bis rot-orange. Dem Augenblick mutet etwas Weihevolles an, und tiefer Friede.
„Die Welt ist oft in Schwarzmalerei versunken, deshalb glaube ich fest daran, dass wir positive Geschichten verbreiten müssen. Der Arapaima kann uns zu neuem, umweltfreundlichen Verhalten beflügeln. Er ist ein Fisch des Wandels, der Hoffnung und Optimismus stärken kann“, sagt João Campos-Silva. „Dies ist eine Geschichte, die andere dazu inspirieren kann, sich für eine bessere Welt einzusetzen.“ – Eine Geschichte, deren Epilog angesichts der verheerenden Waldbrände im Amazonasgebiet noch nicht geschrieben ist.
Der brasilianische Naturschützer João Campos-Silva kämpft seit Jahren um das Überleben des größten geschuppten Süßwasserfischs der Welt: „Der Arapaima ist ein fantastischer Fisch, bis zu drei Meter lang und 200 Kilogramm schwer. Er ernährt seit Urzeiten die Menschen in Amazonien.“
Campos-Silva, Jahrgang 1983, ist Postdoc in Fischereibiologie an der Universidade Federal de Alagoas, der größten Universität im Küstenstaat Alagoas im Nordosten Brasiliens. Seit seiner Kindheit fasziniert ihn die Natur im Amazonasbecken. Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner Naturschutztätigkeit steht der Arapaima, der durch Überfischung und andere vom Menschen verursachte Belastungen bedroht ist. Der Riesenfisch wird aussterben – es sei denn, die Bewohner des Regenwalds setzen sich gemeinsam für seine Rettung ein.
Campos-Silvas Projekt ging aus seiner Dissertation hervor, für die er zwei Jahre in Dörfern der Region verbrachte. Er ist überzeugt: „Schutzgebiete reichen nicht aus, um den Erhalt der Biodiversität zu sichern. Wir müssen die lokalen Communities einbeziehen, um das Gebiet und die bestehende biologische Vielfalt zu schützen.“ Das sei die einzige Chance: „Lange Zeit waren traditionelle Gemeinschaften vom Naturschutz ausgeschlossen. Ich glaube nicht an eine nachhaltige Zukunft für Amazonien ohne die traditionellen Völker, die seit Jahrtausenden in den Wäldern leben.“
In enger Zusammenarbeit mit örtlichen Vereinen und führenden Vertretern der Fischer im westlichen Amazonasbecken hat der heute 39-Jährige einen Plan aufgestellt, wie nicht nur der Arapaima zu retten ist, sondern auch der Lebensunterhalt, die Nahrungsmittelversorgung und die Kultur der indigenen Völker, deren Überleben von den Flüssen der Region abhängt.
Unterstützt wird João Campos-Silva dabei auch von Rolex: Im Rahmen der „Rolex Preise für Unternehmungsgeist“ wurde er für sein visionäres Projekt ausgezeichnet. Die sogenannten Preise für Unternehmungsgeist wurden 1976 zum 50. Geburtstag der Rolex Oyster ins Leben gerufen. Firmengründer Hans Wilsdorf (1881–1960) hat stets Personen und Institutionen unterstützt, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen. Seit den 1930er-Jahren gab er seine Zeitmesser Pionieren mit, die auf ihren Expeditionen in die Tiefen der Ozeane und auf die höchsten Gipfel vorstießen.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts dienen Expeditionen weniger der reinen Entdeckung als vielmehr dem Ziel, die Umwelt zu schützen. Im Sinne ihres Gründers unterstützt die Marke heute Forscher, die sich einer neuen Aufgabe widmen – der Erhaltung des Planeten. Unter diesem Motto steht auch die Kampagne „Perpetual Planet“, die Rolex 2019 startete. Sie stützt sich auf die Rolex Preise für Unternehmungsgeist, auf eine Partnerschaft mit der National Geographic Society sowie auf die Initiative „Mission Blue“ der US-amerikanischen Ozeanografin Sylvia Earle, mit der ein Netz von Meeresschutzgebieten, sogenannten „Hope Spots“, eingerichtet wird.
Das Wort „Perpetual“ steht auf dem Zifferblatt jeder Rolex Oyster. Es symbolisiert auch die Vision und die Werte des Firmengründers, die nach wie vor die Grundlage aller Aktivitäten des Unternehmens bilden, von der Uhrmacherei bis hin zur langfristigen Förderung von Menschen, die die Grenzen des Machbaren überschreiten.
Die Rolex Preise werden nicht für abgeschlossene Leistungen, sondern für neue oder laufende Projekte vergeben. Schwerpunkte sind Umwelt, Wissenschaft und Medizin, angewandte Technik, Kulturerbe sowie Erforschung und Entdeckung.
Die Bewerber müssen keinen eindrucksvollen akademischen Lebenslauf vorweisen, sondern ein originelles visionäres Projekt präsentieren, das potenziell dem Wohl der Menschheit und des Planeten dient. Die Jury besteht aus Forschern, Naturschützern, Wissenschaftlern, Ärzten, Pädagogen und innovativen Denkern. Die bisherigen Preisträger: Physiker, Primatenforscher, Ingenieure, Soziologen, Wildbiologen, Filmemacher, Archäologen, Entdecker, Geologen, Unternehmer, Bergsteiger, Mikrobiologen, Ärzte, Pädagogen, Veterinäre und Architekten. Ein Pariser Taxifahrer, der zu einer internationalen Autorität für nepalesische Laufkäfer wurde, ein mexikanischer Biochemiker, der mittlerweile Experte für die reichhaltige Volksmusik seines Landes ist, und ein amerikanischer Hobbywissenschaftler, der Schülern in aller Welt die Erfassung von Atmosphärendaten ermöglichte.
Jeder der bis heute mehr als 160 ausgelobten Preisträger erhält einen Geldbetrag zur Durchführung seines Projekts, einen Rolex Chronometer, weltweite Publizität, die sein Vorhaben einem internationalen Publikum näherbringt, und Zugang zum Netzwerk der Rolex Preisträger und Jurymitglieder, in dem viele von ihnen ihre richtungsweisenden Konzepte gemeinsam weiter voranbringen.
Der Impact der Initiative ist enorm: So wurden 18 Millionen Bäume gepflanzt, 23 gefährdete Arten und 17 wichtige Ökosysteme beschützt, darunter 57.600 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald. Hunderte neuer Arten wurden entdeckt, 13 anspruchsvolle Expeditionen abgeschlossen, und 27 innovative Technologien für verschiedenste Anwendungen entwickelt. Die Projekte der Preisträger kamen rund fünf Millionen Menschen aus allen Teilen der Erde zugute. Sie zeigen: Jeder kann etwas verändern.
João Campos-Silva hat bewiesen, dass der Arapaima gerettet werden kann. Am Rio Juruá im westlichen Amazonas hat das Fischereiverbot auf kleinen, zum Flusssystem gehörenden Seen, in Kombination mit nachhaltig organisiertem Fischfang der Einheimischen zum 30-fachen Anstieg der lokalen Arapaima-Populationen geführt. Der Schutz der Seen hat auch die Seekuh-, Riesenotter-, Riesenschildkröten- und Mohrenkaiman-Bestände vor dem sicheren Aussterben bewahrt. Dank der Erholung der Fischbestände nahmen die Fangmengen zu, heute kommen die lokalen Gemeinschaften an jedem See jährlich auf zusätzliche Einnahmen in Höhe von durchschnittlich 9.000 US-Dollar.
Campos-Silva will das lokale Experiment nun ausweiten. Das Preisgeld bietet ihm die Möglichkeit, am Rio Juruá 60 Siedlungen mit insgesamt 1.200 Einwohnern auf einem Flussabschnitt von 2.000 Kilometern in sein Naturschutzprojekt einzubeziehen. Er wird 30 Arapaima-Exemplare markieren und per Funk verfolgen, um ihre Bewegungen und die Populationsentwicklung zu erforschen. In Schulungen wird den Fischerinnen und Fischern vermittelt, wie Wilderer überwacht und Fischbestände gezählt werden können. Innerhalb von drei Jahren sollen sich die Populationen des Riesenfischs vervierfachen. „Mit dem zusätzlichen Einkommen können Schulen und Krankenstationen gebaut sowie Arbeitsplätze in der Fischerei und in der Fischereibewirtschaftung – insbesondere für Frauen – geschaffen werden. Die Rettung des Fisches ist somit ein Mittel zur Armutsbekämpfung. Der Arapaima ist der Fisch geworden, der den Amazonas verändern wird.“
Auf längere Sicht, so hofft João Campos-Silva, könnte dieses Modell der Erhaltung eines Wildtiers – und in der Folge auch der indigenen Bevölkerung – in anderen Ländern übernommen werden. Wenn man ihn lässt: „Meine größte Sorge ist der fehlende politische Wille, uns in großem Umfang zu unterstützen. Die Menschen sind viel stärker, wenn sie zusammenarbeiten und harmonisch miteinander agieren. Meine Mission ist es, dazu beizutragen, dieses Modell zu stärken und zu vergrößern, indem ich die lokalen Gemeinschaften in den Mittelpunkt dieser schönen Geschichte stelle.“