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Eine Frau und ein Mann sitzen sich in einem Künstleratelier gegenüber und schauen sich an. Foto: François Walch
Fondation Hartung-Bergman in Antibes

Eine große Liebe

Das Künstlerpaar Anna-Eva Bergman und Hans Hartung verband die lebenslange Liebe zueinander und zur Malerei der Moderne. Ihr Wohn- und Atelierhaus an der Côte d‘Azur zeugt bis heute von alledem und ist mehr als einen Abstecher wert.
Foto: François Walch

Auf den sonnigen Hügeln von Antibes, nicht weit entfernt von dem flirrenden Hafen an der Côte d’Azur mit den unzähligen Yachten, liegt die Fondation Hartung-Bergman in einem ruhigen Wohngebiet am Rande der Stadt.

Weiß getünchte Kuben mit klaren Linien dominieren das Anwesen, auf dem die Ateliers von Hans Hartung und Anna-Eva Bergman etwas verschachtelt nebeneinander liegen und in das Wohnhaus übergehen. Video: Fondation Hartung-Bergman

Schlicht und unerwartet öffnet sich das Tor zu dem einstmals privaten Anwesen der beiden Künstler Hans Hartung (1904–1989) und Anna-Eva Bergman (1909–1987) in einem Olivenhain. Es ist Zeugnis einer großen Liebe zwischen den beiden Künstlern, die sich erst im zweiten Anlauf ihrer Ehe diesen gemeinsamen Traum erfüllen konnten. In den 1960er-Jahren erwarben sie einen zwei Hektar großen Olivenhain auf den Höhen von Antibes und richteten dort nach ihren Plänen ihre Villa und ihre Werkstätten ein.

Hans Hartung, T1964-R15, 1964, Vinyl auf Leinwand, 130 x 380 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“, 15. April bis 27. September 2024.
Hans Hartung, T1964-R15, 1964, Vinyl auf Leinwand, 130 x 380 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“, 15. April bis 27. September 2024.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Klare Architektursprache

Sehr gelungen fügt sich der neu hinzugebaute Eingangspavillon von Cristiano Isnardi in das Architekturensemble ein: Weiß getünchte Kuben mit klaren Linien dominieren elegant das Gelände, auf dem die Ateliers von Hartung und Bergman etwas verschachtelt nebeneinander liegen und in das Wohnhaus mit seinem U-förmigen Patio um den strahlend blauen Pool übergehen. Die Architektur der Anlage wird dominiert von teils nach oben abgeschrägten, weiß getünchten Mauern, die die rechtwinkligen Grundformen aufbrechen, aber auch von Diagonalen, die durch funktionslose, rein ästhetische Stützpfeiler entstehen.

Anna-Eva Bergman, N°12-1975, „Terre ocre avec ciel doré”, 1975, Acryl und Metallfolie auf Leinwand, 180 x 250 cm, Fondation Hartung-Bergman.
Anna-Eva Bergman, N°12-1975, „Terre ocre avec ciel doré”, 1975, Acryl und Metallfolie auf Leinwand, 180 x 250 cm, Fondation Hartung-Bergman.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Dieser Ort, an dem die beiden Künstler bis zu ihrem Ende lebten und arbeiteten, ist seit 1994 eine Stiftung, die die außergewöhnlichen Sammlungen von Werken bewahrt und ein bemerkenswertes architektonisches Ensemble darstellt, das zum Weltkulturerbe des 20. Jahrhunderts gehört.

Das Erbe bewahren

Mit der Gründung der Stiftung wird einem Wunsch entsprochen, der zu Lebzeiten von Hans Hartung und Anna-Eva Bergman geäußert wurde. Sie fußt auf ein Dekret vom 16.Februar 1994, welches die Stiftung als gemeinnützige Organisation anerkannte, deren Aufgabe es sein soll, den Einfluss ihrer Werke in Frankreich und im Ausland darzustellen.

Anna-Eva Bergman, N°7-1963, 1963, Öl und Metallfolie auf Sperrholzplatte, Fondation Hartung-Bergman.
Anna-Eva Bergman, N°7-1963, 1963, Öl und Metallfolie auf Sperrholzplatte, Fondation Hartung-Bergman.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Anna-Eva Bergman

Die 1909 geborene norwegische Künstlerin gilt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der Skandinavischen Modernen Kunst. Sie studierte 1926 an der Kunstakademie in Oslo und setzte ihre Studien in Wien und Paris fort. In Paris lernte sie auch den deutschen Maler Hans Hartung kennen und lieben, die beiden heirateten 1929. Das gemeinsame Interesse an der Modernen Kunst verband die beiden, jedoch merkte Anna-Eva bald, dass sie sich nur unabhängig von Hans künstlerisch entwickeln konnte, sie trennte sich 1938 wieder von ihm und ging kurz vor dem Zweiten Weltkrieg nach Norwegen zurück.

Schicksalhaftes Wiedersehen

Durch einen Zufall trafen sich Hans Hartung und Anna-Eva Bergman 1952 bei gemeinsamen Freunden wieder und entdeckten prompt ihre große Liebe zueinander wieder. Sie trennten sich von ihren jeweiligen Ehepartnern, vermählten sich 1957 erneut und blieben zeitlebens auf ihrem gemeinsamen Anwesen in Antibes zusammen.

Bergman erlebte eine entscheidende künstlerische Entwicklung, indem sie ein visuelles Vokabular entwickelte, das auf Einfachheit, Gleichgewichtsspielen, Licht und „Durchgang“ (einer ihrer Lieblingsbegriffe) basierte, indem sie die Begriffe verwendete: Stein, Stern, Baum, Feuer und mit diesen Themen in ihren Bildern die Wildheit der norwegischen Landschaft zitiert. Die Norwegerin ging trotz der Abstraktion ihrer Motive immer vom Realen aus.

Anna-Eva Bergman, N°22-1963, Terre morte, Öl und Metallfolie auf Leinwand, 97 x 195 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.
Anna-Eva Bergman, N°22-1963, Terre morte, Öl und Metallfolie auf Leinwand, 97 x 195 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Mehrere geografische Horizonte spiegeln den Horizont als neues Thema ihrer Malerei wider, ein Thema, das nach und nach einen bedeutenden Platz in ihrer Ästhetik einnehmen wird und in ihren Augen bedeutet: „Ewigkeit, Unendlichkeit“.

Reduktion und Wärme

In Antibes profitierte sie von einem sehr hellen und geräumigen Studio, sie konnte dort bequem und ruhig arbeiten sowie die Umgebung und das einzigartige Licht der Côte d’Azur aufsaugen. Die Farbpalette ist eingeschränkter und die Formen werden immer einfacher, bezeichnend wird der Einsatz von Blattgold oder -Silber, das die Sonne des Südens warm auf ihren Bildern widerspiegelt.

Anna-Eva Bergman stirbt 1987 in Antibes, ihre Arbeiten geraten für lange Zeit in Vergessenheit. 2023 findet die erste Retrospektive ihrer Arbeiten im Pariser Musée d’Art Moderne statt und rückt das Werk an den Platz, den es verdient.

Hans Hartung, T1956-19, 1956, Öl auf Leinwand, 180 x 137 cm, Fondation Hartung-Bergman.
Hans Hartung, T1956-19, 1956, Öl auf Leinwand, 180 x 137 cm, Fondation Hartung-Bergman.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Hans Hartung

Hans Hartung, 1904 in Leipzig geboren, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der europäischen Informel-Bewegung. In den 1920ern nahm er in Leipzig das Studium der Kunstgeschichte und Philosophie auf, wechselte später nach München, um bei dem Maler Max Doerner zu lernen. Seine frühen Werke sind flüchtige, improvisierte Kompositionen, die eine latente Spannung zwischen Farbe und Linie aufbauen. Hartung gelangte zu einem ungegenständlichen Stil mit grafisch empfundenen schwarzen Linienspielen vor hellen Gründen, die an chinesische Tuschemalerei erinnern.

Flucht ins Exil

1935 ging er nach Frankreich ins Exil, weil das Leben im NS-Staat für ihn unerträglich und als Maler unmöglich war. Die Nationalsozialisten entzogen ihm die deutsche Staatsbürgerschaft und machten ihn zum Staatenlosen. 1944 wurde er schwer verwundet, in dessen Folge er ein Bein verlor und nicht mehr am Kriegsgeschehen teilnehmen konnte. 1946 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft und wurde Mitglied der Ehrenlegion.

Hans Hartung, T1966-K3, 1966, Vinyl auf Leinwand, 55 x 33 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.
Hans Hartung, T1966-K3, 1966, Vinyl auf Leinwand, 55 x 33 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Die Nachkriegsjahre betrachtete er als Gelegenheit, „die zerstörten Kreisläufe wieder zu verbinden“, wie er in seinen Memoiren schrieb. Die ersten Erfolge stellen sich ein, in Frankreich, aber auch in Deutschland und in den Vereinigten Staaten. Er erregte großes Interesse seitens der Kritiker, die ihn als Meister der „lyrischen Abstraktion“ und der „Schule von Paris“ sahen. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht das Gestische und der Ausdruck von Emotion, in den gezeigten Werken in Antibes erkennt man gut seinen Weg vom Figürlichen zur Abstraktion. Hartung entwickelte bis zu seinem Tod 1989 eine Malerei, die sehr gestisch und spontan wirkt, sich aber oftmals als Ergebnis einer langsamen, kontrollierten Entwicklung entpuppt.

Einkehr und Frieden

Die Gestaltung der Atelier- sowie Privaträume in Antibes beruht gänzlich auf den Entwürfen des Künstlerpaares. Befreiend wirkt die ruhige Architektur, die immer wieder Ausblicke in den umgebenden Olivenhain freigibt: „Die Fenster sind meine Bilder“, schreibt Hartung in seinen Erinnerungen, „durch sie zeichnet sich eine unbewegliche Landschaft ab, doch mit einem ständig sich wandelnden Himmel, der durch die silbernen Blätter der Olivenbäume schimmert.“

Die Architektur und die Ausblicke, die sie gewährt, bilden ein Element, das auch heute noch, neben den wechselnden Ausstellungen der Werke der beiden Künstler, die Besucher nachvollziehen lässt, welche Einkehr und Frieden Anna-Eva und Hans gefunden haben mögen an diesem Ort.

Hans Hartung, T1982-H31, 1982, Acryl auf Leinwand, 185 x 300 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.
Hans Hartung, T1982-H31, 1982, Acryl auf Leinwand, 185 x 300 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Aktuelle Ausstellung „Le partage du sensible“

Vom 15. April bis 27. September 2024 präsentiert die Hartung-Bergman-Stiftung in ihren Räumlichkeiten in Antibes eine Ausstellung mit Werken von Hans Hartung, Anna-Eva Bergman und von Terry Haass.

Terry Haass, „Gémeaux (Zwillinge)“, 1962, Gouache und Kohle auf Papier, 75 x 52 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.
Terry Haass, „Gémeaux (Zwillinge)“, 1962, Gouache und Kohle auf Papier, 75 x 52 cm. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.Foto: Fondation Hartung-Bergman

„Le partage du sensible“ ist die erste Ausstellung der Stiftung, zu der ein dritter Name hinzugefügt wird: der der tschechischen Künstlerin Terry Haass. Ein Name, der noch wenig bekannt ist, sich aber zu denen von Hans Hartung und Anna-Eva Bergman gesellt, künstlerisch durch seine abstrahierende Sprache mit vielfachen Referenzen, und menschlich durch die Freundschaft, die sie mit dem Paar verband. Terry Haass, 1923 in der Tschechoslowakei als Theresa Goldman geboren, schuf ein reiches Werk, sehr vielfältig, dominiert von einem bemerkenswerten Können der Druckgrafik und Skulptur und durch eine abstrahierende Sprache, die sich nie ganz von den Motiven löst. Mit ihrem künstlerischen Ausdruck fügt sie sich entschlossen in die gleiche Künstlerfamilie wie Hans Hartung und noch mehr Anna-Eva Bergman ein.

Terry Haass, „Fragments of Spitsbergen“, 2007, Farblithographie als hommage an Anna-Eva Bergman, Revue K, Paris. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.
Terry Haass, „Fragments of Spitsbergen“, 2007, Farblithographie als hommage an Anna-Eva Bergman, Revue K, Paris. Fondation Hartung-Bergman, Ausstellung „Le partage du sensible“.Foto: Fondation Hartung-Bergman

Die Stiftung Hartung-Bergman ist auch ein kunsthistorisches Forschungslabor und empfängt Forschende, Kunsthistoriker und -historikerinnen, Kritiker und Kritikerinnen, Museums- und Ausstellungskuratorinnen und -kuratoren. Schließlich bietet sie einen Fach- und Authentifizierungsdienst, der jedes Jahr mehrere hundert Anfragen mit Informationen beantwortet.

Weitere Infos:

Die Fondation Hartung-Bergman ist Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr für Besucherinnen und Besucher geöffnet.

Adresse: 182 chemin du Valbosquet, 06600 Antibes

Koordinaten: 43°36'13.94?N 7°05'50.98?E

Eine Frau und ein Mann sitzen sich in einem Künstleratelier gegenüber und schauen sich an.
Anna-Eva Bergman und Hans Hartung, fotografiert 1975 in ihrem Wohnhaus und Atelier in Antibes.Foto: François Walch
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