Sonntag, 20. April 2025
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Unterwasservideo: Verloren gegangene Fischernetze haben sich über ein Riff gelegt, die Korallen und Pflanzen darunter sind nicht mehr zu erkennen. Viele kleine Fische schwimmen um das Riff herum. Video: Placebo365 / iStock
Onlineplattform GhostNetZero

Mit KI gegen Geisternetze

Jährlich sterben Millionen Meerestiere in herrenlosen Fischernetzen, die in den Ozeanen treiben. Künstliche Intelligenz soll nun bei der Suche nach den verwaisten Netzen helfen.
Video: Placebo365 / iStock

Verloren gegangene Fischernetze sollen künftig mithilfe von künstlicher Intelligenz besser in den Ozeanen aufgespürt werden können. Die neue Technik könne Sonar-Aufnahmen vom Meeresboden automatisch auswerten und Stellen markieren, an denen sich vermutlich solche Geisternetze befänden, teilte die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland mit.

Gefahr für Meerestiere und -pflanzen

Der WWF arbeitet dafür mit den Unternehmen Accenture und Microsoft zusammen. Gemeinsam starteten sie die KI-gestützte Onlineplattform GhostNetZero, über die Forschungsinstitute, Behörden oder Windkraftfirmen geeignete Sonardaten spenden können. Aufnahmen, die ohnehin etwa zur Sicherung des Schiffsverkehrs oder für Windkraftanlagen erhoben werden.

Netzteile, Leinen, Taue, Haken, Reusen

Als Geisternetze gelten alle Gerätschaften, die von Fischereischiffen aus ins Meer gelangen. Meist sind das keine vollständigen Netze, die hinterher im Meer wabern, sondern nur Reste von Netzen sowie Leinen, Taue oder Köderhaken. Auch Reusen und andere Fangkäfige werden dazugerechnet.

Australische Forschende berechneten vor wenigen Jahren, dass etwa zwei Prozent der weltweit verwendeten Fischereiausrüstung jährlich im Meer landen, also Zehntausende Quadratkilometer Stellnetze und Ringwadennetze, dazu Hunderttausende Kilometer Langleinen.

Der WWF spricht von 50.000 Tonnen Fischernetzen. Sie würden zur „tödlichen Falle für Fische, Seevögel, Schildkröten oder Meeressäuger“. Auch Korallen könnten dadurch großen Schaden nehmen. Über die Zeit zersetzten sich die Fischereigeräte in kleinere Stücke und Fasern.

Treffergenauigkeit schon bei 90 Prozent

Solche verlorenen Ausrüstungsmaterialien machten einen erheblichen Teil des Plastikmülls im Ozean aus, so Gabriele Dederer, Forschungstaucherin und Projektleiterin Geisternetze des WWF Deutschland. „Aber sie sind unter der Wasseroberfläche unsichtbar und ihre Ortung ist aufwendig.“ Der WWF hat bisher mit eigenen Sonardaten 26 Tonnen Geisternetze aus der Ostsee geborgen. Die nun mit KI gewonnenen Informationen sollen bei dem Projekt, das zusammen mit örtlichen Fischern durchgeführt wird, ein präziseres Arbeiten ermöglichen.

„Für andere Länder wollen wir beispielgebend sein“, sagt Dederer. Es gebe schon viel Techniktransfer und gemeinsame Projekte. Die Kombination aus Sonardaten und KI-Erkennung könne die Suche, die vorher händisch erfolgte, substanziell verbessern, so die Projektleiterin. „Überall auf der Welt wird der Meeresboden kartiert, es existieren gewaltige Datenmengen.“ Werte man diese gezielt aus, könne viel mehr aufgespürt werden. Die Treffergenauigkeit der KI liege bereits bei 90 Prozent. Nun trainiere man sie weiter, um etwa Unterseekabel von Netzen zu unterscheiden.

Weitere Infos:

Jährlich sterben weltweit schätzungsweise Millionen Meerestiere aufgrund von sogenannten Geisternetzen. Diese Netze stellen eine erhebliche Gefahr für zahlreiche Meeresbewohner dar, darunter Wale, Delfine, Robben, Schildkröten, Fische und Seevögel.

Laut der Umweltschutzorganisation OceanCare verenden jedes Jahr Hunderttausende Meerestiere qualvoll in diesen Geisternetzen.

Die Umweltschutzorganisation PETA Deutschland gibt an, dass jedes Jahr mehrere Millionen Meerestiere und Seevögel in Geisternetzen sterben oder verletzt werden.

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