“Schütze den Ozean, als ob dein Leben davon abhängt, weil es das tut“
Sylvia Earle hat sich über ein halbes Jahrhundert hinweg durch ihren unermüdlichen Einsatz für die Meere weltweit einen Namen gemacht. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters – sie wurde gerade 89 Jahre alt – reist Earle für ihre Organisation „Mission Blue“ rund um den Globus, um Meeresgebiete zu „Hope Spots“ zu erklären und sich für die Erforschung und den Schutz unserer Ozeane einzusetzen.
Earle, deren zahlreiche Forschungsrekorde und mehr als 7.000 Stunden Tauchgänge ihr den Beinamen „Her Deepness“ eingebracht haben, betont, dass die Bedeutung der Ozeane für das Leben auf der Erde oft unterschätzt wird. „Der Ozean ist so viel mehr als nur Fische“, sagt sie, „er ist unser Kohlenstoffkreislauf, unser Klima, die Biochemie unseres Planeten, die alles Leben auf der Erde geprägt hat.“
Titouan Bernicot, Gründer der Coral Gardeners, erzählt in diesem Video, was ihn dazu brachte, mit 16 Jahren zu beschließen, sein Leben der Rettung der Korallenriffe zu widmen. Video: Rolex
Titouan Bernicot, mehr als 60 Jahre später geboren, hatte im Alter von 16 Jahren ein prägendes Erlebnis, als er beim Surfen in den kristallklaren Gewässern seiner Heimatinsel in Französisch-Polynesien erkannte, wie bedroht die Korallenriffe sind. Dieses Erlebnis veranlasste ihn, sein Leben dem Schutz der Riffe zu widmen. Er gründete die Organisation „Coral Gardeners“ und legte gemeinsam mit seinen Jugendfreunden den Grundstein für die Wiederherstellung der Riffe rund um die Insel. Heute inspiriert diese Gruppe von „Ocean Kids“, wie sie sich nennen, eine weltweite Gemeinschaft von Riffschützern. Rolex unterstützt die Arbeit beider Organisationen im Rahmen seiner Initiative „Perpetual Planet“. Im Gespräch mit den beiden ging es um ihre Arbeit und den Zustand der Weltmeere, vor allem aber über ihre Hoffnungen und darüber, dass jeder einzelne Mensch zur Rettung der Ozeane beitragen kann.
Sylvia, erklären Sie uns Ihr Projekt Mission Blue, warum ist es so wichtig?
Sylvia Earle: Es geht um das Wissen, das ich mir im Laufe meines Lebens über den Ozean angeeignet habe, darüber, wer wir sind, woher wir kommen – nie zuvor hatten wir eine bessere Chance auf eine immerwährende Zukunft mit einem Planeten, der zu unseren Gunsten arbeitet, aber wir stehen kurz davor, diese Chance zu verlieren. Für manche ist das ein Grund zur Verzweiflung. Der Planet erwärmt sich, die Arten verschwinden. Angesichts unserer wachsenden Zahl stellt sich die Frage, wie wir auf diesem kleinen blauen Fleck im Universum überleben können, das uns sonst nicht gerade freundlich gesinnt ist.
Mission Blue wurde mit der Vision der Hoffnung gegründet. Der Ozean beherrscht die natürliche Welt. Dort existiert der Großteil des Lebens auf der Erde. Dort gibt es das meiste Wasser. Wir hoffen, Menschen auf der ganzen Welt zu inspirieren, das zu tun, was sie können, um etwas zu verändern, um vom Niedergang in die Erholung zu kommen.
Was können wir tun?
Sylvia Earle: Wir werden gleich ein Beispiel hören. Von meinem Kollegen und „Ocean Brother“ Titouan Bernicot, der an einem ganz besonderen Ort auf der Erde arbeitet, um zu zeigen, was der Einzelne tun kann, wenn er seine Mitmenschen inspiriert. Können Sie sich vorstellen, dass jeder jeden Tag mit dem Gedanken beginnt: Was kann ich mit meinen persönlichen Entscheidungen tun, um im Zusammenspiel mit anderen einen Unterschied zu machen? Um das 21. Jahrhundert zu der Zeit zu machen, in die wir aus weiter Zukunft zurückblicken und sagen: Das war die Zeit, als die Menschen die beste Gelegenheit ergriffen haben, die sie jemals haben werden, um einen Platz für uns in den natürlichen lebenden Systemen, vor allem im Meer, zu finden und uns einen dauerhaften Platz auf der Erde zu sichern.
Können Sie uns als Beispiel einen Hope Spot nennen, der zeigt, wie das funktionieren kann?
Sylvia Earle: Ich möchte Ihnen ein paar Beispiele nennen. Erstens, einen Ort, an dem man es nicht vermuten würde: New York City. Warum ausgerechnet eines der größten Ballungsgebiete der Welt? Durch die Zusammenarbeit einer lokalen Institution, der Stony Brook University, und einer Einzelperson, der Wissenschaftlerin Ellen Pikitch, mit den Menschen, die in diesem Gebiet leben, und zwar schon sehr lange, der Shinnecock Nation, haben wir die Bay im Schatten von New York City renaturiert und Muscheln neu angesiedelt. Die Menschen hatten so viele Muscheln gegessen, dass diese ihren Platz als Filter im Ökosystem verloren haben. Und nun sehen wir: Dieser Ort, der einen wirklichen Niedergang erlebt hat, erholt sich wieder. Das ist ein Grund zur Hoffnung.
Ein weiterer Hope Spot, der bereits in ziemlich guter Verfassung ist, ist seit 2018 Palau. Nun geht es darum, in Zusammenarbeit mit den dortigen Gemeinden und der Regierung die Kraft des kleinen Inselstaates zu nutzen und die Augen auf die hohe See zu richten, um auch andere zu inspirieren, das zu schützen, was im Wesentlichen die Hälfte der Welt ist, nämlich die hohen Meere, jenseits der nationalen Gerichtsbarkeiten.
Inzwischen gibt es weit über 160 Hope Spots, Orte, an denen Einzelpersonen, Gemeinschaften und Institutionen zusammenarbeiten. Wenn dieses Netzwerk gedeiht, dann ist das ein Weg, um Menschen dazu zu inspirieren, zu sagen: „Nun, was kann ich tun? Wie kann ich mich an diesem Netzwerk der Hoffnung beteiligen?“
Titouan, Ihre Hoffnungsorte sind die Korallenriffe, deren Erhalt Sie zu Ihrer Lebensaufgabe gemacht haben.
Titouan Bernicot: Während wir uns unterhalten, findet im Meer das statt, was wir El Niño nennen. Die Wassertemperatur steigt sehr stark an. Das ist die vierte massive globale Korallenbleiche, seit wir diese Ereignisse aufzeichnen können. Die Menschen sehen es nicht. Ich bin derzeit in Paris. Ich gehe durch die Stadt, und es gibt keinen Hinweis darauf, was gerade im Wasser passiert, wie die Korallen all ihre Farben verlieren. Aber das größte Feuer aller Zeiten findet gerade im Wasser statt. Wenn wir über ein paar Hektar Wald reden, das ist wirklich nicht gut. An Land sehen die Menschen den Baum. Aber unser Planet wird aus einem bestimmten Grund die blaue Erde genannt. 70 Prozent davon sind Ozeane. Das Wasser ist unser blaues Land. Ein gesunder Ozean mit gesunden Ökosystemen wie Mangroven, Korallenriffen und Phytoplankton, das ist es, was uns das Atmen ermöglicht.
Was ist der größte Unterschied in Ihrer Arbeit als Umweltaktivisten?
Titouan Bernicot: Ich habe meinen Korallengarten vor meinem Haus am sogenannten Saumriff. Achtzig Prozent sind bereits tot. Das ist in Moorea, unserer kleinen Insel, die Schwesterinsel von Tahiti in Französisch-Polynesien, wo ich aufgewachsen bin. Sie ist weit entfernt von jeder großen Stadt, jedem großen Ballungsraum, und dennoch ist sie von diesem globalen Problem betroffen. Die Generation von Sylvia hat erstaunliche Entdeckungen und Erkundungen gemacht, und sie hatten das Privileg, am Anfang erst einmal ganz viel zu forschen. Meine Generation kann nicht mehr nur forschen. Jetzt müssen wir Lösungen finden. Wir sind die Generation der Hoffnung, der Aktion.
Was treibt Sie heute an?
Titouan Bernicot: Ich habe die Coral Gardeners vor sieben Jahren gestartet. Am Anfang waren wir in meinem Schlafzimmer mit meinem kleinen Bruder, der damals 14 Jahre alt war. Ich verliebte mich in diese konkrete, greifbare Aktion, Korallen zu pflanzen. Wie cool ist es, ein Gärtner im Wasser zu sein, während die Fische um deinen Kopf, um deinen Arm herumschwimmen? Sie überprüfen, was du tust. Du schaffst neue Lebensräume für die Babyfische und siehst, wie deine Wirkung wächst. Es ist so greifbar. Ich möchte mit den Korallen im Wasser sein, um Dinge für das Riff zu tun.
Heute haben wir ein Team von 70 Vollzeitangestellten auf der ganzen Welt. Wir werden Ende 2024 in sieben verschiedenen Ländern operieren. Wir versuchen, das Korallengärtnern, die Wiederherstellung der Riffe auf der ganzen Welt mit Technologie und Innovation zu skalieren, und wachen jeden Morgen mit dem Gedanken auf, was wir noch für das Korallenriff tun können.
Sylvia Earle: Ein Teil meines Beitrags ist vermutlich der einer Zeugin. Ich denke an meinen ersten Tauchgang im Jahr 1964, bei einer Expedition im Indischen Ozean, eines der ersten Male, dass Entdecker und Wissenschaftler die Gabe der Zeit als Taucher genießen konnten, nicht nur Netze und Haken und Geräte herunterzulassen, um Kreaturen zu greifen und an die Oberfläche zu bringen, um sie zu studieren und dann wieder ins Wasser zu werfen. Was weißt du so schon darüber, wer sie sind, wie sie leben? Sie haben Gesichter, sie haben Persönlichkeiten. Zackenbarsche kommen herüber und schauen dich an. Wir sehen sie meistens auf unseren Tellern. Als ich begann, den Ozean zu erkunden, war er auf der ganzen Welt ein viel gesünderer Ort. Etwa die Hälfte der Korallenriffe weltweit ist verschwunden. An manchen Orten sind mehr als 80, 90 Prozent verschwunden. Und 90 Prozent der Haie sind verschwunden. Das ist ein Grund zur Sorge, ja sogar zur Verzweiflung. Andererseits wissen wir, dass wir immer noch zehn Prozent der Haie und die Hälfte der Korallenriffe haben – es gibt also noch Hoffnung.
Also sehen Sie noch Grund für Optimismus?
Sylvia Earle: Ich denke, die Kinder von heute sind die glücklichsten, die jemals auf diesem Planeten angekommen sind. Ich wünschte, ich wäre auch jetzt angekommen, denn noch nie zuvor hatten wir so viel Wissen wie heute. Niemand war auf dem Mond und schaute zurück auf die Erde, als ich in Titouans Alter war, und niemand war in den tiefsten Bereichen des Ozeans. Wir dachten, dass der Planet immer so sein würde. Wir waren gewohnt, uns aus der Natur zu bedienen. Nehmen, nehmen, nehmen. Aber mit den Zahlen, die wir jetzt haben, von acht Milliarden Menschen. Als ich hier ankam, waren es zwei Milliarden. Und wie haben Technologien, die in der Lage sind, Wälder an einem Nachmittag zu roden, was vor 100 Jahren sehr lange gedauert hätte. Mit dem Wissen von heute hätten die Menschen früher mehr geschätzt, was verloren ging.
Heute haben wir das Glück, von Menschen lernen zu können, die über eine sehr lange Zeit eine Beziehung zu einem Ort haben, wie die Menschen der pazifischen Inseln, die die Weisheit haben, wie man die Natur nutzen kann, ohne sie zu zerstören.
Die Frage ist: Wie schließen wir Frieden mit der natürlichen Welt? Die Unwissenheit, die wir über den Ozean hatten, ist vielleicht das größte Problem, dem wir noch immer gegenüberstehen. Warum sollten die Menschen sich um den Ozean kümmern? Die Menschen fragen sich vielleicht: Was hat der Ozean jemals für mich getan? Man könnte diese Leute fragen: Wie ist es mit dem Atmen, mögen Sie atmen? Es ist der Ozean, genauso wie die Wälder und andere photosynthetische Organismen an Land, die den Sauerstoff erzeugen, den Kohlenstoff einfangen. Das größte Problem ist immer noch, dass die Menschen nicht wissen, warum sie sich um das Meer kümmern sollten.
Was können wir als Einzelpersonen tun, um den Ozean zu schützen?
Sylvia Earle: Ich sage, schau in den Spiegel. Ich kann niemand anderem sagen, was er tun kann. Weil ich nicht weiß, wer du bist. Hast du ein Händchen für Zahlen? Hast du ein Talent wie Titouan? Kannst du singen? Kannst du das Cello spielen wie Yo-Yo Ma? Was auch immer du kannst, nutze es. Nutze es. Höre auf die Probleme. Finde deinen Platz und setze ein Zeichen: Die Erde ist in Schwierigkeiten. Dein Lebenserhaltungssystem braucht dich bei jeder Entscheidung, die du triffst. Was auch immer es ist, schließe dich mit anderen zusammen oder gehe solo, aber nutze das, was dich ausmacht. Es gibt niemanden sonst wie dich. Finde diesen Platz und los geht's.
Titouan Bernicot: Jeder braucht gesunde Ozeane. Und jeder kann mitmachen. Alles ist zugänglich. Ich denke, das Erste, was die Leute tun müssen, ist lernen. Sie müssen herausfinden, was es ist, das sie lieben. Sind es Delfine, Haie, Korallen? Und dann, nach dem Lernen, müssen sie die Geschichte des Ozeans erzählen. Die Geschichte, die ich versuche, so vielen Menschen wie möglich zu erzählen, ist die Geschichte des Riffs.
Heute können Sie von Ihrer Couch in New York, Paris oder Tokio Einfluss nehmen. Ich war gerade heute Morgen in einem Telefonat mit unserem Team für Community Engagement und Ingenieuren, und sie haben mir den neuen Prototyp gezeigt, den sie entwickelt haben. Es ist eine künstliche Intelligenz, die Videos und Bilder unserer Korallenaufzuchtstationen zeigt, wo Tausende von Korallen wachsen. Wenn Sie eine Koralle online für 29 Dollar adoptieren, wird Ihnen eine Koralle zugewiesen, die in der Aufzuchtstation wächst, und dann begeben Sie sich mit auf die Reise und werden auf dem Laufenden gehalten, vom Sammeln, über das Gärtnern bis zum Pflanzen Ihrer Koralle.
Sylvia Earle: Wir müssen die natürlichen Bereiche schützen, die noch in einem guten Zustand sind, denn dort gibt es noch Diversität. Das ist das Ziel von Mission Blue mit seinen Hope Spots. Es ist das Ziel von National Geographic, von Nature und anderen Programmen. Das ist die beste Grundlage für Hoffnung. Wenn wir es verlieren, verlieren wir die beste Chance, die wir je hatten, um den ewigen Planeten zu sichern, von dem wir alle träumen.
Sylvia, wenn Sie für einen Tag die Weltkönigin wären, welches Gesetz würden Sie einführen?
Sylvia Earle: Schütze den Ozean, als ob dein Leben davon abhängt, weil es das tut.
Über die Rolex Perpetual Planet Initiative:
Für Rolex-Gründer Hans Wilsdorf (1881–1960) war die Welt ein Experimentierfeld, in dem er die Zuverlässigkeit seiner Uhren unter realen Bedingungen testen wollte. Ab den 1930er-Jahren stellte er seine Oyster-Perpetual-Modelle Pionieren der Erforschung und Entdeckung zur Verfügung, die unter extremen Bedingungen in die entlegensten Regionen der Erde vordrangen. Heute hat sich der zentrale Aspekt dieser Expeditionen verändert: Sie dienen weniger der Entdeckung unerforschter Gebiete als vielmehr dem Schutz und der Erhaltung unseres Planeten. Ganz im Sinne des Gründers unterstützt Rolex daher heute Wissenschaftler und Forscher, die sich dem Erhalt der Erde verschrieben haben.
Um dieses Engagement zu verstärken, startete Rolex 2019 die Initiative Perpetual Planet. Diese Initiative umfasst eine erweiterte Partnerschaft mit der National Geographic Society zur Untersuchung der Auswirkungen des Klimawandels sowie die Unterstützung von Mission Blue, der Initiative von Sylvia Earle, der Coral Gardeners von Titouan Bernicot sowie zahlreicher weiterer Umweltorganisationen zu Wasser und zu Land. Ein weiterer zentraler Bestandteil dieses Engagements sind die „Rolex Preise für Unternehmungsgeist“, mit denen Menschen ausgezeichnet werden, deren Projekte zur Förderung des Wissens über unseren Planeten und zum Schutz von Mensch und Umwelt beitragen.
Weitere Infos:
Mehr über die Coral Gardeners in unserer Story „Im Korallenkindergarten“ und im Video „Ocean Kids“.