Sonntag, 20. April 2025
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Magazin für modernes Leben
Blick auf eine herrschaftliche Fassade mit vier hohen Säulen, in der Mitte ein Eingang, links und rechts davon Schaufenster mit einem gebogenen Glas. Über dem Haupteingang befinden sich Kassettenfenster in Holzrahmen. Foto: Jamie McGregor Smith
Innovation und Tradition unter einem Dach

Ein Juwel für Juwelen

Nach mehrjährigen Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten hat die Wiener Juweliersfamilie Schullin das historische Haus des Architekten Adolf Loos als ihren neuen Hauptgeschäftssitz bezogen. Ein Paradebeispiel in Sachen Denkmalschutz.
Foto: Jamie McGregor Smith

Kaiser Franz Joseph soll es verächtlich das „Haus ohne Augenbrauen“ genannt haben. Und sich geweigert, von der Hofburg zu dem Neubau vor seinem Fenster hinüberzuschauen. Nun hat die Wiener Juweliersfamilie Schullin im historischen Looshaus Quartier bezogen. Und tritt damit den Beweis an, dass Tradition und Innovation keine Gegensätze sein müssen.

Blick in eine große Empfangshalle mit einem Treppenhaus mit grünem Teppichboden. Der Boden ist aus Parkett, die Säulen aus Mahagoni.
Die opulente Treppe führt in die Verkaufsräume der oberen Etage des Looshauses, Mezzanin genannt.Foto: Jamie McGregor Smith

Ein neues Kapitel

Seit 1888 steht der Name Schullin für außergewöhnliche Handwerkskunst und Kreativität – stets mit einem Gespür für den Zeitgeist. 2025 feiert das Haus sein 50-jähriges Bestehen in Wien. Und schlägt im Jubiläumsjahr ein neues Kapitel auf: die feierliche Eröffnung des neuen Schullin-Geschäfts im Looshaus am Michaelerplatz 3.

„Auch die Werkstätten werden teilweise noch hierhin umziehen“, verriet Johannes Schullin im Interview mit Substantial Times. Besonders spannend für die Klientel: Die Uhrenwerkstatt wird künftig im Looshaus untergebracht. Damit knüpft Schullin an die Geschichte des Gebäudes an, das einst den noblen Herrenausstatter Goldmann & Salatsch beherbergte – ein Handwerksbetrieb, der die kaiserliche Elite Wiens einkleidete.

„Wir wollen es künftig auch möglich machen, dass die Kundinnen und Kunden zuschauen können, wie ihre Uhren geserviced werden“, so Schullin. „Das ist ein interessanter Mehrwert für den Kundenservice und ein wichtiger Schritt, um das Handwerk ins Haus zurückzubringen.“

Das Looshaus: „Sixtinische Kapelle Wiens”

Die Entscheidung, das Looshaus zu übernehmen und – nachdem es mehr als 30 Jahre lang ein Bankhaus war – wieder zur Heimat eines Handwerks zu machen, war nicht nur naheliegend, sondern auch eine architektonische Herausforderung. Seit 1909, als Adolf Loos das bahnbrechende Gebäude am Michaelerplatz entwarf, gilt es als eine Ikone der modernen Architektur – so sehr, dass Professor Friedrich Dahm, der damalige Leiter des Bundesdenkmalamts, es als „Sixtinische Kapelle Wiens“ bezeichnete.

„Es war unglaublich wichtig, das Haus mit größtem Respekt zu behandeln“, sagt Johannes Schullin. Architekt Peter Plattner aus Bozen übernahm die Planung des Juweliergeschäfts und schaffte es, im Looshaus eine zeitgenössische Gestaltung einzubringen, ohne die historische Substanz zu verändern. „Die Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt war sehr kooperativ – jedes Detail wurde vorher abgestimmt.“

Blick in eine Verkaufsecke mit einem Tisch und Sesseln, umgeben von Vitrinen.
Die originalen Vitrinen im Erdgeschoss des Looshauses bieten Platz für die Präsentation des Schmucks von Schullin und der verschiedenen Uhrenmarken. Die Lampen, ebenfalls original, wurden so umgebaut, dass sie optisch keinerlei Veränderung erfahren, jedoch über die Decke zusätzliches Licht reflektieren, um die Verkaufsbereiche besser auszuleuchten.Foto: Jamie McGregor Smith

Große technische Herausforderungen

Besonders herausfordernd war der technische Umbau. „Wir mussten 75 Kilometer Glasfaser im Haus verlegen – ohne die originalen Verkleidungen zu beschädigen.“ Auch die Beleuchtung für die Bedürfnisse eines Juwelengeschäfts stellte im denkmalgeschützten Looshaus eine Gratwanderung dar: „Die Verkaufsbereiche benötigen eine bestimmte Lichtstärke, aber wir durften keine sichtbaren Veränderungen anbringen. Wir haben schließlich eine Lösung gefunden, die die Decke anstrahlt – so wirkt das Licht natürlich und bleibt im Einklang mit der Architektur.“

Sechs Personen in Weiß, Blau und Schwarz gekleidet nebeneinander mit Blick in die Kamera.
Die dritte und vierte Generation der Familie Schullin (v.l.): Lukas, Oriane, Herbert, Beate, Clara und Johannes.Foto: Philipp Jelenska

Schullin: Juwelierfamilie in 4. Generation

Schullin ist nicht nur ein Name, sondern eine Familiengeschichte, die von Generation zu Generation weitergeführt wird. Seit 1969 prägt Herbert Schullin die Schmuckwelt mit seinen innovativen Design und spektakulären Juwelen. Heute sind seine Söhne Lukas – mit Ehefrau Oriane – und Johannes – mit Ehefrau Clara –, die vierte Generation, federführend in der Verbindung von traditioneller Goldschmiedekunst und modernster Technologie.

„Mein Vater war immer ganz vorn in puncto Technik“, erzählt Johannes. „Schon damals, als es noch keine 3D-Drucker gab, hat er in die stärksten Computer investiert. Wir haben sehr früh Computer-aided Design genutzt, um Schmuckdesign digital zu perfektionieren. Bis dahin waren ja der Goldschmied und der Designer noch dieselbe Person. Nun konnten Designer Schmuck entwerfen und dem Goldschmied die Zeichnungen und Berechnungen vorlegen und der Goldschmied sich auf seinen Teil der Arbeit konzentrieren.“

Blick auf eine holzvertäfelte Wand aus Mahagoniholz, in der sich drei Vitrinen mit Schmuckstücken an cremefarbenen Schmuckbüsten befinden.
Die Juweliersfamilie Schullin blickt auf eine 145-jährige Geschichte im Uhrmacher- und Schmuckhandwerk zurück. In die Vitrinen des Looshauses aus der Zeit der Wiener Moderne sind jetzt die Juwelen und Zeitmesser des 21 Jahrhunderts eingezogen.Foto: Jamie McGregor Smith

Die Moderne zieht mit ins Looshaus ein

Dieser Pioniergeist zeigt sich auch in der heutigen Arbeitsweise: „Wir nutzen Algorithmen, um Designs flexibler zu gestalten. Wir kreieren nicht mit Algorithmen. Aber wenn wir zum Beispiel 100 Stunden für den Entwurf eines Rings gebraucht haben und dann eine Kundin ihn nicht in Größe 53, sondern in Größe 60 möchte, muss nicht alles neu entworfen werden, das Design passt sich automatisch an.“

Auch das Schmuckatelier am Kohlmarkt bleibt fester Bestandteil von Schullin. „Wir können nicht alles ins Looshaus bringen – Schmuckherstellung erzeugt Staub, und das ist in einer Uhrenwerkstatt problematisch. Und auch das offene Feuer, das wir bei der Schmuckherstellung brauchen, geht in diesem Gebäude nicht. Aber wir behalten den kreativen Prozess eng verbunden mit dem Verkauf. So können die Kundinnen und Kunden hautnah erleben, wie ihr Schmuckstück entsteht.“

Die beiden ersten Wiener Geschäftslokale von Juwelier Schullin, von Pritzker-Preisträger Hans Hollein gestaltet, fanden in internationalen Architekturzeitschriften große Beachtung. Heute stehen die beiden architektonischen Meilensteine unter Denkmalschutz. Wobei das Atelier am Kohlmarkt bleibt und das Geschäft am Graben mit ins Looshaus umgezogen ist.

Blick in einen Raum mit hellen und dunklen Holzverkleidungen, der über drei Stufen in einen großen Raum mit Vitrinen und Säulen aus Mahagoni übergeht.
Seit 1954 ist die Familie Schullin in Wien Rolex-Konzessionärin. Im Looshaus war nun Platz für eine integrierte Rolex-Boutique, deren moderne Gestaltung aus der Feder des Bozener Architekten Peter Plattner einen fließenden Übergang in das denkmalgeschützte historischen Gebäude schafft.Foto: Jamie McGregor Smith

Mehr als 70 Jahre Rolex-Konzessionär

Nicht nur Schmuck, sondern auch Uhren sind tief in der Schullin-DNA verankert. Bereits 1888 gründete Johannes Schullins Urgroßvater eine Uhrmacherei in Bad St. Leonhard in Kärnten. 1954 wurde das Unternehmen offizieller Rolex-Konzessionär. Heute kümmern sich zertifizierte Uhrmachermeister um die Wartung und den Service von Rolex, Tudor, Bell & Ross, Hublot, Parmigiani, Zenith, Franck Muller und weiteren Luxusmarken. Wobei nur Rolex ein eigener Salon in einem Seitenflügel des historischen Looshauses gewidmet ist.

Kulturelles Erbe

Das Looshaus erzählt Geschichte – und das auch im wörtlichen Sinne. Die in Bronze gegossenen Wappen und Embleme an der Fassade beziehen sich auf die Hauptkunden von Goldmann & Salatsch. Das ehrwürdige Bekleidungshaus durfte sich als k.u.k. Hofschneider auch mit dem kaiserlichen Wappen schmücken. Ebenso war das Haus Königlich- Bayerischer Hoflieferant, Kammerlieferant des Erzherzogs Joseph, Lieferant der k.u.k. Marine- und Yachtgeschwaders und des österreichischen Automobilklubs.

Auch das jetzige Uhren- und Juwelenhaus Schullin kann und konnte stets auf internationale und bekannte Kunden zählen. Stars wie Elton John, Barbara Streisand, Anna Netrebko und Agnes Baltsa sind Freunde des Hauses.

Close-up eines weiblichen Arms, die Hand verdeckt das Gesicht des Models, die nichts außer einem großen Armband trägt, das mit schwarzen und weißen Diamanten besetzt ist.
Das Armband „Desert Dunes Nero“ ist ein typisches Beispiel für Haute Joaillerie aus dem Schmuckatelier von Schullin Wien. Nur drei Linien verleihen dem Armband seine Form. Während dezente schwarze Diamanten die Außenseite zieren, verbergen sich zwischen den Elementen unzählige Brillanten, die eng in einem Mikropavé gefasst sind und erst beim Tragen des Armbands zum Vorschein kommen. Die hochglanzpolierten Weißgoldflächen reflektieren die Diamanten und verleihen dem Schmuckstück seine außergewöhnliche Brillanz.Foto: Schullin

Für die Mühe belohnt

Kann man die Philosophie von Adolf Loos mit Schmuck verbinden? Johannes Schullin ist da ganz sicher: „Loos sagte, 'Ornament ist ein Verbrechen', aber Schmuck muss nicht überladen sein, um Ausdrucksstärke zu haben. Unsere Designs sind schon immer sehr geometrisch und modern – genau wie die Architektur von Loos.“

Mit der Eröffnung des Geschäfts im Looshaus beginnt für Schullin ein neues Kapitel – eines, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet. „Vor der Eröffnung war es schon etwas unruhig bei uns, weil man bei so einem großen und alten Haus immer neue Herausforderungen entdeckt“, erinnert sich Johannes Schullin an die Wochen vor der finalen Eröffnung. „Aber wenn dann die ersten Kunden hereinkommen und begeistert sind, weiß man, dass sich all die Mühe gelohnt hat.“

Blick in das Obergeschoss, auch Mezzanin genannt, des Looshauses. Mahagoni, Messing und Kristallleuchten spiegeln nach der Komplettsanierung des Gebäudes den Glanz der Wiener Moderne wider.
Blick in das Obergeschoss, auch Mezzanin genannt, des Looshauses. Mahagoni, Messing und Kristallleuchten spiegeln nach der Komplettsanierung des Gebäudes den Glanz der Wiener Moderne wider.Foto: Jamie McGregor Smith

Weitere Infos:

Juwelier Schullin im Looshaus
Michaelerplatz 3
1010 Wien

Das Geschäft ist täglich außer Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Besucher sind willkommen, das Gebäude auch von innen zu besichtigen, Gruppen jedoch nur nach vorheriger Anmeldung.

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