
Ein Juwel für Juwelen
Kaiser Franz Joseph soll es verächtlich das „Haus ohne Augenbrauen“ genannt haben. Und sich geweigert, von der Hofburg zu dem Neubau vor seinem Fenster hinüberzuschauen. Nun hat die Wiener Juweliersfamilie Schullin im historischen Looshaus Quartier bezogen. Und tritt damit den Beweis an, dass Tradition und Innovation keine Gegensätze sein müssen.

Ein neues Kapitel
Seit 1888 steht der Name Schullin für außergewöhnliche Handwerkskunst und Kreativität – stets mit einem Gespür für den Zeitgeist. 2025 feiert das Haus sein 50-jähriges Bestehen in Wien. Und schlägt im Jubiläumsjahr ein neues Kapitel auf: die feierliche Eröffnung des neuen Schullin-Geschäfts im Looshaus am Michaelerplatz 3.
„Auch die Werkstätten werden teilweise noch hierhin umziehen“, verriet Johannes Schullin im Interview mit Substantial Times. Besonders spannend für die Klientel: Die Uhrenwerkstatt wird künftig im Looshaus untergebracht. Damit knüpft Schullin an die Geschichte des Gebäudes an, das einst den noblen Herrenausstatter Goldmann & Salatsch beherbergte – ein Handwerksbetrieb, der die kaiserliche Elite Wiens einkleidete.
„Wir wollen es künftig auch möglich machen, dass die Kundinnen und Kunden zuschauen können, wie ihre Uhren geserviced werden“, so Schullin. „Das ist ein interessanter Mehrwert für den Kundenservice und ein wichtiger Schritt, um das Handwerk ins Haus zurückzubringen.“
Das Looshaus: „Sixtinische Kapelle Wiens”
Die Entscheidung, das Looshaus zu übernehmen und – nachdem es mehr als 30 Jahre lang ein Bankhaus war – wieder zur Heimat eines Handwerks zu machen, war nicht nur naheliegend, sondern auch eine architektonische Herausforderung. Seit 1909, als Adolf Loos das bahnbrechende Gebäude am Michaelerplatz entwarf, gilt es als eine Ikone der modernen Architektur – so sehr, dass Professor Friedrich Dahm, der damalige Leiter des Bundesdenkmalamts, es als „Sixtinische Kapelle Wiens“ bezeichnete.
„Es war unglaublich wichtig, das Haus mit größtem Respekt zu behandeln“, sagt Johannes Schullin. Architekt Peter Plattner aus Bozen übernahm die Planung des Juweliergeschäfts und schaffte es, im Looshaus eine zeitgenössische Gestaltung einzubringen, ohne die historische Substanz zu verändern. „Die Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt war sehr kooperativ – jedes Detail wurde vorher abgestimmt.“

Große technische Herausforderungen
Besonders herausfordernd war der technische Umbau. „Wir mussten 75 Kilometer Glasfaser im Haus verlegen – ohne die originalen Verkleidungen zu beschädigen.“ Auch die Beleuchtung für die Bedürfnisse eines Juwelengeschäfts stellte im denkmalgeschützten Looshaus eine Gratwanderung dar: „Die Verkaufsbereiche benötigen eine bestimmte Lichtstärke, aber wir durften keine sichtbaren Veränderungen anbringen. Wir haben schließlich eine Lösung gefunden, die die Decke anstrahlt – so wirkt das Licht natürlich und bleibt im Einklang mit der Architektur.“

Schullin: Juwelierfamilie in 4. Generation
Schullin ist nicht nur ein Name, sondern eine Familiengeschichte, die von Generation zu Generation weitergeführt wird. Seit 1969 prägt Herbert Schullin die Schmuckwelt mit seinen innovativen Design und spektakulären Juwelen. Heute sind seine Söhne Lukas – mit Ehefrau Oriane – und Johannes – mit Ehefrau Clara –, die vierte Generation, federführend in der Verbindung von traditioneller Goldschmiedekunst und modernster Technologie.
„Mein Vater war immer ganz vorn in puncto Technik“, erzählt Johannes. „Schon damals, als es noch keine 3D-Drucker gab, hat er in die stärksten Computer investiert. Wir haben sehr früh Computer-aided Design genutzt, um Schmuckdesign digital zu perfektionieren. Bis dahin waren ja der Goldschmied und der Designer noch dieselbe Person. Nun konnten Designer Schmuck entwerfen und dem Goldschmied die Zeichnungen und Berechnungen vorlegen und der Goldschmied sich auf seinen Teil der Arbeit konzentrieren.“

Die Moderne zieht mit ins Looshaus ein
Dieser Pioniergeist zeigt sich auch in der heutigen Arbeitsweise: „Wir nutzen Algorithmen, um Designs flexibler zu gestalten. Wir kreieren nicht mit Algorithmen. Aber wenn wir zum Beispiel 100 Stunden für den Entwurf eines Rings gebraucht haben und dann eine Kundin ihn nicht in Größe 53, sondern in Größe 60 möchte, muss nicht alles neu entworfen werden, das Design passt sich automatisch an.“
Auch das Schmuckatelier am Kohlmarkt bleibt fester Bestandteil von Schullin. „Wir können nicht alles ins Looshaus bringen – Schmuckherstellung erzeugt Staub, und das ist in einer Uhrenwerkstatt problematisch. Und auch das offene Feuer, das wir bei der Schmuckherstellung brauchen, geht in diesem Gebäude nicht. Aber wir behalten den kreativen Prozess eng verbunden mit dem Verkauf. So können die Kundinnen und Kunden hautnah erleben, wie ihr Schmuckstück entsteht.“
Die beiden ersten Wiener Geschäftslokale von Juwelier Schullin, von Pritzker-Preisträger Hans Hollein gestaltet, fanden in internationalen Architekturzeitschriften große Beachtung. Heute stehen die beiden architektonischen Meilensteine unter Denkmalschutz. Wobei das Atelier am Kohlmarkt bleibt und das Geschäft am Graben mit ins Looshaus umgezogen ist.

Mehr als 70 Jahre Rolex-Konzessionär
Nicht nur Schmuck, sondern auch Uhren sind tief in der Schullin-DNA verankert. Bereits 1888 gründete Johannes Schullins Urgroßvater eine Uhrmacherei in Bad St. Leonhard in Kärnten. 1954 wurde das Unternehmen offizieller Rolex-Konzessionär. Heute kümmern sich zertifizierte Uhrmachermeister um die Wartung und den Service von Rolex, Tudor, Bell & Ross, Hublot, Parmigiani, Zenith, Franck Muller und weiteren Luxusmarken. Wobei nur Rolex ein eigener Salon in einem Seitenflügel des historischen Looshauses gewidmet ist.
Kulturelles Erbe
Das Looshaus erzählt Geschichte – und das auch im wörtlichen Sinne. Die in Bronze gegossenen Wappen und Embleme an der Fassade beziehen sich auf die Hauptkunden von Goldmann & Salatsch. Das ehrwürdige Bekleidungshaus durfte sich als k.u.k. Hofschneider auch mit dem kaiserlichen Wappen schmücken. Ebenso war das Haus Königlich- Bayerischer Hoflieferant, Kammerlieferant des Erzherzogs Joseph, Lieferant der k.u.k. Marine- und Yachtgeschwaders und des österreichischen Automobilklubs.
Auch das jetzige Uhren- und Juwelenhaus Schullin kann und konnte stets auf internationale und bekannte Kunden zählen. Stars wie Elton John, Barbara Streisand, Anna Netrebko und Agnes Baltsa sind Freunde des Hauses.

Für die Mühe belohnt
Kann man die Philosophie von Adolf Loos mit Schmuck verbinden? Johannes Schullin ist da ganz sicher: „Loos sagte, 'Ornament ist ein Verbrechen', aber Schmuck muss nicht überladen sein, um Ausdrucksstärke zu haben. Unsere Designs sind schon immer sehr geometrisch und modern – genau wie die Architektur von Loos.“
Mit der Eröffnung des Geschäfts im Looshaus beginnt für Schullin ein neues Kapitel – eines, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet. „Vor der Eröffnung war es schon etwas unruhig bei uns, weil man bei so einem großen und alten Haus immer neue Herausforderungen entdeckt“, erinnert sich Johannes Schullin an die Wochen vor der finalen Eröffnung. „Aber wenn dann die ersten Kunden hereinkommen und begeistert sind, weiß man, dass sich all die Mühe gelohnt hat.“

Weitere Infos:
Juwelier Schullin im Looshaus
Michaelerplatz 3
1010 Wien
Das Geschäft ist täglich außer Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Besucher sind willkommen, das Gebäude auch von innen zu besichtigen, Gruppen jedoch nur nach vorheriger Anmeldung.