In den Sand gesetzt
Unweit des belebten Zentrums von Marseille befindet sich der berühmte Stadtstrand Plage des Catalans, der im Sommer Sonnenanbeterinnen und Sonnenanbeter aus der Stadt und aller Welt anlockt. Rund 100 Meter vom Ufer entfernt, in fünf Meter Wassertiefe und mit einer großen weißen Boje markiert, stehen dort elf Kunstwerke aus Beton. Vom Boot oder mit Taucherbrille und Schnorchel kann man sie erkennen. Um sie genauer zu studieren, muss – und darf – man zu ihnen hinabtauchen.
Kunst in Symbiose mit der Unterwasserwelt
Die Idee von Unterwasser-Skulpturenparks geht auf den Briten Jason deCaires Taylor zurück, der mit seiner Kunst eine symbiotische Verbindung mit der Natur herstellen möchte. Der preisgekrönte Bildhauer, Umweltschützer und Unterwasserfotograf hat in den letzten 18 Jahren rund ein Dutzend Unterwassermuseen und Skulpturenparks unter den Wellen geschaffen und mehr als 1.200 „lebende“ Kunstwerke in den Ozeanen und Meeren der Welt versenken lassen. Zu den Themen, die in diesen künstlerischen Installationen behandelt werden, gehören stets der Klimawandel mit seinen Folgen und die regenerativen Eigenschaften der Natur.
Skulpturen als Lebensräume
Die Skulpturen bieten aufgrund ihrer Beschaffenheit neue Lebensräume für die Meeresbewohner und veranschaulichen gleichzeitig die zerbrechliche Beziehung des Menschen zur marinen Welt. Angefertigt aus einem speziellen Beton, der die Besiedelung der Skulpturen ermöglicht, unterliegen die Kunstwerke einem permanenten Wandel durch die Meeresumgebung. Jede Figur stellt für sich ein kleines künstliches Riff dar, das einer Vielzahl von Meereslebewesen Schutz und Nahrung bietet.
Antony Lacanaud, der Gründer des Museums in Marseille, entdeckte die von Jason deCaires Taylor entwickelten Projekte und initiierte mit Künstlern aus Frankreich das Konzept für seine Stadt. So entstand ab 2020 das Unterwassermuseum in Marseille. Zwischen Poseidon, dem Gott des Meeres, und seinen Wassernymphen hat sich mittlerweile eine neue Unterwasserwelt entwickelt. Auf den Oberflächen der versenkten Objekte finden zahlreiche Algen Halt, durch sie werden kleinere Fischarten angelockt, die in den Hohlräumen der Skulpturen Unterschlupf finden, aber auch größeren Fischen Nahrung bieten – der Kreislauf schließt sich und so kann in dieser wieder erstarkten Meeresfauna neues Leben entstehen.
Poseidon in bester Gesellschaft
Poseidon, der griechische Gott des Meeres von Christophe Charbonnel, wacht mit seinem langen Haupthaar und dem Algenbart über die kleine Gruppe: die Nereiden, zierliche Meeresnymphen der Künstlerin Evelyne Galinski. Über den Eisbären mit zur Meeresoberfläche gerichtetem Blick von Michel Audiard, der wie ein Mahnmal darauf hinweist, dass er eigentlich auf eine Eisscholle in der Arktis gehört.
Unter den Augen Poseidons findet man einen überdimensionalen Fisch von Mathias Souverbie, ein riesiges Seeigelgehäuse von Daniel Zanca, der damit dem im Mittelmeer vom Aussterben bedrohten Stacheltier huldigt, sowie eine Riesenkrake von Floriane Lisowski. Vier weitere Kunstwerke steuerten Benoit de Souza, Davide Galbiati, der Künstler Régis Leroy alis „Herrel“ und Thierry Trives bei.
Inspiration für den Umweltschutz
Als letzte Skulptur wurde der „Reisende“ von Bruno Catalano zu Wasser gelassen. Die „Voyageurs“-Serie des Künstlers aus Marseille erinnert an Männer und Frauen, die zu neuen Horizonten aufbrechen, ähnlich wie das Musée Subaquatique in neue Gefilde der Museumskultur in Verbindung mit der Wissenschaft und dem Umweltschutz vorstoßen will.
Der „Eintritt“ ist kostenfrei und auf eigene Verantwortung. Die Skulpturen können schwimmend, schnorchelnd oder mit Tauchausrüstung erkundet werden. Auf Anfrage werden geführte Gruppen-Besichtigungen organisiert.
Weitere Infos:
Musée Subaquatique de Marseille: musee-subaquatique.com
Jason deCaires Taylor: underwatersculpture.com
Mediterranean Institute of Oceanography: mio.osupytheas.fr