
Das neue Neon
Dass alte deutsche Marken wiederbelebt werden, ist selten. Donald Schneider und Claudia Hofmann wagen das Abenteuer mit der alten Sportswear-Marke Elho. Aus dem ehemals trendigen Skimode-Label soll eine coole Performance-Brand werden, Elho Freestyle, mit biobasierten Materialien und ungewöhnlichen Künstler-Kooperationen. Rihanna und Freestyle-Skistar Andri Ragettli sind bereits Fans.
Unsere Autorin Barbara Markert sprach mit Co-Gründer Donald Schneider darüber, wie man schon im ersten Jahr des Revivals internationale Musik- und Sportstars überzeugen konnte und wie nachhaltig das neue Elho Freestyle wirklich ist.

Substantial Times: Herr Schneider, sie sind 65 Jahre alt und haben eine beeindruckende Karriere hinter sich: Die Erfindung der Fast-Fashion-Designer-Kooperationen, beginnend mit H&M x Karl Lagerfeld, geht auf Sie zurück. Sie haben in den wilden 1980ern in New York gelebt und gearbeitet, waren jahrelang Art Director der französischen Vogue in Paris und haben seit 2002 ein eigenes und sehr erfolgreiches Kreativbüro, erst in Paris, nun in Berlin. Doch in dem Alter, in dem andere in Rente gehen, holen Sie zusammen mit ihrer Partnerin Claudia Hofmann ein altes Sportswear-Label aus der Versenkung und wollen damit noch einmal durchstarten. Warum tun Sie sich diesen Stress an?
Donald Schneider: Das ist eine gute Frage. Claudia und ich wollten schon immer mal ein eigenes Label haben. Also eines, bei dem wir alles selbst entscheiden können. Aber bisher kam nie die richtige Gelegenheit, bis ich per Zufall an die Markenrechte von der legendären Brand Elho gekommen bin. Wir waren sofort begeistert und überzeugt, dass dies nun die große Chance ist, die wir immer gesucht hatten.
Die Marke Elho gab es von 1948 bis 1993. Sie war vor allem für bunte und lebensfrohe Skibekleidung bekannt. Insbesondere Ende der 1970er-, aber vor allem in den 1980er-Jahren kreierte Elho mit seinen neonfarbenen Outfits echte Must-have-Looks, die jeder auf der Piste tragen wollte. In den 90er-Jahren verschwand das Label dann vom Markt. 2019 wagte eine Firma aus Köln ein Comeback, das jedoch scheiterte.
Ich habe damals auf Bitte eines Freundes und Investors die Leute getroffen, die Elho wiederbeleben wollten. Ich sollte mithelfen, einen Hype zu kreieren. Obwohl ich schon damals dachte, dass diese Marke ein immenses Potenzial hat, war ich von dem Revival-Versuch enttäuscht: Die Kölner hatten alte Elho-Sachen im Internet zusammengesucht und die Vintage-Sachen zum Kopieren in die Fabrik geschickt. Sie wollten also einfach eins zu eins die alten Looks wiederauflegen – mit den alten Schnitten und den alten Mustern. Ich verstand das Businessmodel nicht und habe abgesagt.

Der Revival-Versuch war nur von kurzer Dauer. Als die Kölner damals aufgaben, haben Sie sich die Marke gesichert?
Genau, das war die Chance, die Markenrechte zu erwerben. In dem Zusammenhang lernte ich auch den ehemaligen Geschäftsführer kennen, der die Originalmarke bis 1993 geleitet hatte. Ein toller Typ, mit dem ich viel Zeit verbracht habe, denn ich wollte herausfinden, was die Marke Elho ausmachte und was das Erfolgsgeheimnis des Labels war.
Und? Was machte das alte Elho so speziell?
Der frühere Geschäftsführer hatte mir viele Geschichten erzählt, aber was mir vor allem im Gedächtnis blieb, war dieser Satz: „Wir waren halt allen immer eine Nasenlänge voraus.“
Genau das haben wir uns zu Herzen genommen. Wir schauen, was die anderen machen, um zu wissen, was wir anders und neu machen müssen. Das ist eigentlich die Idee des neuen Elho Freestyle. Natürlich wird die Heritage nicht vergessen, denn das ist die DNA von Elho, aber wir würden nie eins zu eins aus der Vergangenheit kopieren wollen.

Können Sie uns das konkreter erläutern?
Zum Beispiel die Farben. Die waren Elho immer wichtig. Und sie sind es auch für uns. Aber niemals würden wir diese alten Neonfarben, also dieses Stabilo-Boss-Gelb oder das Barbie-Pink, wieder auflegen. Das ist viel zu aggressiv. Stattdessen haben wir bei einer Kooperation mit dem Graffiti-Künstler André Saraiva – Künstlername André – eine Jacke in seiner Lieblingsfarbe Ice-Pink aufgelegt. Die kommt in diesem Winter. Ich habe sie schon Probe getragen und bin nun wahrlich nicht der Typ für pinke Jacken, aber ich wurde von ganz vielen Leuten auf der Straße angesprochen. Was das für eine Marke sei? Was das Graffiti-Gesicht auf der Rückseite bedeute? Es ist ein Conversation-Piece, über das die Leute gerne reden wollen.

Aber exotische Farben reichen nun auch nicht aus, um eine Nasenlänge voraus zu sein. Sie wollen mit Elho einen nachhaltigen Weg einschlagen, was für eine Outdoormarke eine echte Herausforderung ist. Denn die Branche, die Jacken für ein Leben in der Natur anbietet, arbeitet vor allem mit Plastik, also Polyester, Polyamid, Nylon, und für eine wasserabweisende Funktion mit PFAS-Versiegelungen, also mit nicht abbaubaren Ewigkeits-Chemikalien, die auch als Jahrhundertgift bezeichnet werden.
Genau, das ist im Outdoorsegment wirklich nicht einfach. Aber mit unserem Mindset, immer allen eine Nasenlänge voraus sein zu wollen, haben wir gleich zu Beginn eine Product-Development-Agentur in der Schweiz kontaktiert. Sie ist uns empfohlen worden und für viele große Outdoorlabels tätig. Das sind junge Outdoorhipster in Zürich, die im Sommer jedes Wochenende in die Berge gehen und im Winter zum Skifahren.
Wie ging es dann weiter?
Sie haben uns gebeten, komplett neu an das Thema Materialien heranzugehen, weil sie so frustriert sind über ihre anderen Outdoorkunden, die immer nur mit Plastikmaterialien arbeiten und für eine gute Kommunikation nach außen dann etwas recyceltes Polyester beimischen. Die jungen Generationen würden keine Plastikklamotten mehr haben wollen, sagten sie uns. Und die neuen biobasierten Materialien, also die Next-Gen-Materialien, könnten in der Qualität locker mit Polyester, Nylon und Co. mithalten, aber wären eben etwas teurer.
Und welche Materialien sind das dann?
Das ist normalerweise Claudias Bereich, aber ich weiß, dass wir mit Bananen als Ursprungsmaterial arbeiten, wie auch mit Kaffee, bei dessen Anbau scheinbar sehr viel Material übrigbleibt. Wir nutzen auch viel recyceltes biobasiertes Material, wie recycelte Daunen aus der Bettenfabrikation für die Winterjacken. In der Kollektion gibt es auch eine Fleecejacke aus recycelter Wolle. Und natürlich nutzen wir auch recycelte Chemiefasern. Ganz ohne die geht es leider nicht.

Kann man Elho also als eine nachhaltige Outdoormarke bezeichnen?
Wir wollen in unserer Kommunikation nicht das Wort „nachhaltig“ verwenden, weil es einfach zu abgedroschen ist. Und auch weil zu viele Labels dieses Wort benutzen, ohne wirklich nachhaltig zu sein. Deshalb legen wir den Fokus in der Kommunikation auf biobasierte Materialien, soweit das eben geht. Es funktioniert nicht für alles, aber wir setzen sie ein, soviel wir können. Ich war ja lange Global Creative Director für H&M in Stockholm und musste dort regelmäßig Nachhaltigkeitsschulungen besuchen. Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie große Plädoyers halten werde über Nachhaltigkeit. Einfach, weil man sich damit schnell auf ganz dünnem Eis bewegen kann. Das Thema ist zu komplex und umfassend. Wir haben angefangen, auch mit unseren Lieferanten enger zusammenarbeiten für die Nachvollziehbarkeit der Lieferkette.

Nachhaltig ist aber auch, dass man zum Beispiel die neuen Elho Performance-Jacke nicht nur auf der Piste oder dem Berg tragen kann, sondern eben auch in der Stadt. Das erhöht die Nutzungsfrequenz.
Richtig. Statt einer Skijacke, die man nur fünf Tage im Jahr trägt, plus einer Winterjacke für die Stadt braucht man nur eine einzige Jacke, weil sie Performance bietet in den Bergen, aber auch stylish in der City aussieht. Die Performance-Bomber-Jacke ist das Core-Piece unserer Kollektion. Sie zeigt, für was wir stehen. Dieses Produkt vereint Elemente aus der Heritage-Kollektion, hat diese neuen Materialien und kann immer weiterentwickelt werden. Wir wollten eine Jacke haben, die anders ist als alles, was die anderen machen. Also haben Claudia und ich viel Research gemacht, auch in verschiedenen Skigebieten jeweils mehrere Stunden in Cafés gesetzt, die sich genau gegenüber der Talstation einer Gondel befanden. Von dort haben wir die Outfits von Tausenden von Skifahrern beobachtet und festgestellt, dass die meisten einen langweiligen Einheitslook tragen.
Und wie kamen Sie von dieser Erkenntnis zur Bomberjacke für die Piste beziehungsweise für den Berg?
Das ist mir irgendwann mal nachts im Schlaf eingefallen. Dann habe ich gegoogelt und festgestellt, dass so ziemlich jede Modemarke eine Bomberjacke im Angebot hat, aber kaum eine der Outdoormarken. So haben wir angefangen, die Performance Bomberjacke zu entwickeln, mit Kapuze, Schneefang, hoher Wassersäule, mit Performance eben. Claudia und ich fanden, das passt sehr gut zum „Rebel Heritage Image“ und unserer Elho Vision. Wir haben die Idee danach immer weiterentwickelt, haben diese Boomerang-Reißverschlüsse für die Bauchtasche ergänzt und wie bei Militärjacken Namens-Patches an die Ärmel gesetzt. Jede Jacke kommt mit drei verschiedenen Logo-Patches in verschiedenen Farben, die man je nach persönlichem Style aufkleben kann oder auch einfach weglässt, wenn man es diskret haben möchte.
Diese Verbindung von Mode und Performance steckt ja noch immer in den Kinderschuhen. Bekannte Outdoorlabels wie Vaude, Schöffel, Mammut et cetera legen weiterhin großen Wert auf die Funktionen ihrer Produkte, aber weniger Augenmerk auf das Design. Manche andere Marken sind da schon weiter wie Fusalp und Rossignol aus Frankreich …
… oder auch Moncler aus Italien. Deren Zweitlinie „Grenoble“ verbindet das auch sehr gut. Das Problem ist, dass es immer noch Berührungsängste gibt zwischen Performance und Style. Ich habe vor ein paar Jahren mal für das „Handelsblatt“ eine Modebeilage gemacht und hatte die Idee, für ein Modeshooting Highfashion mit Outdoor zu kombinieren und zu stylen – sprich Louis Vuitton, Dior, Prada zu kombinieren mit Jack Wolfskin, Mammut und so weiter. Ich konnte das deutsche Topmodel Anna Ewers engagieren und einen guten Fotografen, alles stimmte, Claudia hat das Styling vorbereitet – nur die Outdoormarken wollten nicht mitziehen.
Die High-Fashion Labels fanden es spannend, aber die Outdooranbieter wollten auf keinen Fall in einem Mode-Umfeld gesehen werden. Wir haben es dann trotzdem hinbekommen, und dieses Shooting wurde zum Gamechanger. Seither waren wir von diesem Thema angefixt, stylische Outdoormode machen zu wollen. Ich habe dann sogar einer bekannten Outdoorfirma das Thema Kooperation mit einer Modemarke angeboten, aber sie winkten ab. Jahre später gab es dann die Kooperation zwischen Gucci und The Northface.

Das bringt uns genau zum nächsten Punkt: Elho ist gerade gestartet und hat schon Kooperationen mit der Stiftung des 1988 verstorbenen Künstlers Jean-Michel Basquiat und eben dem bekannten schwedischen Graffiti-Künstler Monsieur André. Wie ging das so schnell?
Naja, ich liebe ja, Kooperationen zu erfinden – seit H&M mit Karl Lagerfeld. Zudem ist das die moderne Art zu kommunizieren, deshalb stand das auch bei Elho auf unserer Agenda. Aber wir wollten zu Beginn nicht einen anderen Modedesigner als Partner haben, der uns seinen Stil aufdrückt. Claudia und ich wollten erst einmal unseren eigenen Stil etablieren. Also suchten wir nach Künstlern. Jean-Michel Basquiat hatte ich in meiner Zeit in New York kennengelernt, und ich war auch einmal mit ihm in der Schweiz. Für mich ist er noch immer einer der interessantesten Künstler überhaupt. Auch die Gen Z hat ihn wieder entdeckt und verehrt ihn. Für unseren zweiten Winter, FW25/26, und für die kommende Winterolympiade, wollten wir etwas Spezielles finden. Etwas mit kontemporärer Streetart und Graffiti. André Saraiva kenne ich seit vielen Jahren und finde, dass er und seine ikonische Figur des Mister A. gut zu Elho passen.
Die pinke Jacke hat auch gleich den Freestyle-Skistar Andri Ragettli überzeugt. Damit hat Elho auch noch einen Mega-Influencer als Role Model zu bieten.
Andri Ragettli habe ich über mehrere Jahre auf Instagram verfolgt. Er ist ein unglaublich guter Athlet, einer der besten Freestyle-Skifahrer aller Zeiten. Er achtet auch sehr auf die Umwelt, ist Vegetarier, trinkt keinen Alkohol und schaut auch bei seinen Sponsoren genau hin. Also haben Claudia und ich ihn besucht und überzeugt, bei uns mitzumachen – als erster Elho-Ambassador. Er testet alle unsere Produkte und sagt, wenn wir etwas ändern sollten. Wir haben ihm auch eine weite, überlange Baggy-Hose designt, damit bei den Flips die Beine nicht herausschauen. Früher hatte er sich seine Hosen aus zwei Hosen zusammenschneidern lassen, weil er keine passenden Hosen finden konnte.
Unseren Basquiat-Look hatte Andri Ragettli dann übrigens bei den X Games in Aspen an, und da sah ihn Rihanna, mit deren Management ich ohnehin schon im Kontakt war. Sie wollte dann sofort Sachen von uns haben. Wir haben ihr eine Box mit Elho-Teilen geschickt, sie liebt die Sachen. Bis jetzt habe ich noch keine Bilder von ihr in Elho gesehen. Vielleicht kommt das ja diesen Winter

Diese persönlichen Kontakte zu Rihanna, Monsieur André, Stiftung Jean-Michel Basquiat und anderen eröffnen viele Möglichkeiten, die sonst einem jungen Label eher verschlossen bleiben. Als Investor ist auch Oliver Bierhoff bei Elho eingestiegen.
Über all meine Jahre in New York und in Paris bei Vogue, und mit den vielen globalen Mode-Kampagnen mit Celebrities, Designern und Künstlern, konnte ich mir ein sehr gutes Netzwerk aufbauen. Und das nutze ich jetzt natürlich für Elho. Und es ist toll zu sehen, wie wir da von vielen Seiten Begeisterung und Unterstützung bekommen. Es sind auch schon ein paar ganz tolle Investoren mit dabei, die überzeugt sind von uns. Da ist ein super Team an Spezialisten in Zürich und Berlin. Wir haben ambitionierte Ziele, möchten die Number-one-Outdoor-Style-Brand werden. Wir haben ja erst gerade angefangen, jetzt kommt unser zweiter Winter. Es liegen noch viel Arbeit und Challenges vor uns – aber es macht Spaß.

Die Elho Story
Elho wurde 1948 in München vom Schneidermeister Ludwig Hohenester gegründet. Die Marke etablierte sich in den 1970er- und vor allem 80er-Jahren durch bunte Skibekleidung, Jet Pants und auffällige Designs als Synonym für Ski- und Après-Ski-Kultur in Deutschland.
In den 90ern verschwand Elho nach und nach aus der Wahrnehmung, ein erster Wiederbelebungsversuch 2019 scheiterte.
2023 übernahm Donald Schneider zusammen mit Claudia Hofmann die Markenrechte und brachte Elho zurück – mit dem Ziel, die Heritage der Marke zu bewahren und gleichzeitig moderne Performance sowie nachhaltige Materialien einzuführen.
Die aktuelle Kollektion umfasst technische Outdoor- und Ski-Bekleidung wie Performance-Bomberjacken, Fleece-Teile, Hosen und Accessoires. Dabei werden zunehmend biobasierte Materialien, recycelte Wolle, PFC-freie Imprägnierungen und ökologische Fasern verwendet.