Magier von morgen
Seit Cartier 1853 mit der Anfertigung von Uhren begann, stellte der Juwelier die Technik stets in den Dienst des Designs. Das heißt, es brauchte die begabtesten Uhrmacher, um die fantasievollen Entwürfe umzusetzen und mit teils hochkomplizierten Werken zum Laufen zu bringen.
Auch deshalb rief das 1993 gegründete Institut Horlogerie Cartier (IHC) einen jährlichen Preis ins Leben, der sich an angehende Uhrmacher richtet und der in diesem Jahr sein 30. Bestehen feiert. Es galt und gilt mehr denn je, junge Talente aufzuspüren und den Uhrmachernachwuchs von morgen zu sichern.
Der im Originaltitel „Cartier Talents Horlogers de Demain“ genannte Preis richtet sich an Auszubildende in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und seit Kurzem auch Belgien, die jeweils eingeladen sind, ein Uhrwerk zu einem bestimmten Thema zu entwickeln. Zusätzlich zu den sechs Lehrlingen des dritten und vierten Jahres in der beruflichen Grundausbildung zum Uhrmacher oder zur Urmacherin wurden außerdem erstmals sechs Studierende der Mikrotechnik eingeladen.
Unter die Finalisten der Preisträger für 2024 hat es der 32-jährige Max Didzuhn, Lehrling im dritten Ausbildungsjahr der Uhrmacherschule Hamburg, geschafft. Mit seinem Entwurf zum vorgegebenen Motto „Magie der Sinne“ befindet er sich unter den letzten sechs im Wettbewerb verbliebenen Uhrmachertalenten und darf sich laut Cartier-Ausbildungsleiter Florent Cosandey bereits jetzt auf eine erfolgreiche Zukunft freuen. Selbst wenn er nicht den ersten Preis davontragen sollte, über den in den nächsten Tagen entschieden wird.
Im aktuellen Wettbewerb sollten die Kandidaten und Kandidatinnen mit einem Pendeluhrwerk arbeiten, dem üblichen Werk für eine Tischuhr. Und eine Kreation, die seit über einem Jahrhundert für Cartier Symbolstatuus hat. Die Kandidatinnen und Kandidaten hatten die Freiheit, ohne Einschränkungen alle ästhetischen und kreativen Bereiche zu erkunden, die mit dem Thema „Magie der Sinne“ in Verbindung stehen.
Bereits im Oktober wählte die Jury, bestehend aus fünf namhaften Persönlichkeiten der Uhrenindustrie, aus den Bewerbungen sechs Technikerinnen und Techniker sowie sechs Uhrmacherauszubildende für das Finale aus.
Die zwölf Finalistinnen und Finalisten hatten maximal 80 Arbeitsstunden zur Verfügung, um ihr Projekt auszuarbeiten. Während der gesamten Zeit wurden sie individuell von einem außenstehenden Mentor betreut. Nach zwei Monaten reichten sie ihr fertiges Projekt sowie ein Tagebuch ein, in dem sie die wichtigsten Etappen der Projektentwicklung mit Skizzen und Fotos darstellen sollten.
Kurz vor Weihnachten stellten die Zwölf ihre Projekte der Jury in Cartiers Maison des Métiers d’Art – dem Manufakturbereich für besondere Handwerkskünste – in La Chaux-de-Fonds in der Schweiz vor, die Preisverleihung findet noch im Januar statt. Die ersten drei Preisträger und Preisträgerinnen in beiden Kategorien erhalten eine Cartier-Uhr sowie eine Einladung, tiefer in die Welt von Cartier einzutauchen, unter anderem mit der Möglichkeit, verschiedene Standorte von Cartier in Frankreich und der Schweiz zu besuchen. Darüber hinaus erhalten die beiden Erstplatzierten ein Praktikumsangebot bei Cartier.
Wir sprachen mit Max Didzuhn und mit Karim Drici, Direktor der Uhren-Manufaktur von Cartier in La Chaux-de-Fonds, über den kurz „Prix Horloger“ genannten Wettbewerb.
„Bei der Umsetzung des Mottos ‚Magie der Sinne‘ kamen mir als erstes die Pendules Mystérieuses von Cartier aus den 1920er-Jahren in den Sinn.“
Max Didzuhn, Finalist Cartier Prix Talents Horlogers de Demain
Herr Didzuhn, wie sind Sie an das Design Ihrer Uhr herangegangen? Was war Ihre Inspirationsquelle?
Max Didzuhn: Bei der Umsetzung des Mottos „Magie der Sinne“ kamen mir als erstes die „Pendules Mystérieuses“ von Cartier aus den 1920er-Jahren in den Sinn. Besonders angetan hatte es mir eine Tischuhr, die anstelle eines Stundenzeigers ein Modell einer Schildkröte via Magnet über das Zifferblatt gleiten lässt. Inspiriert von dieser Uhr machte ich mich daran, dieses Prinzip in mein Projekt zu integrieren.
Was sind die wichtigsten Elemente Ihres Modells „Mystic Sphere“?
Die Idee ist, mit einer sich „magisch“ bewegenden Kugel auf einer Glasscheibe eine visuelle Täuschung zu erschaffen. Die Glasscheibe erlaubt es, eine konzentrische Illusion auf dem Zifferblatt darunter anzubringen. Die Kugel in Kombination mit der optischen Illusion ergibt ein Gesamtbild, das den Betrachter zu begeistern weiß.
Das Konzept von mysteriösen Uhren ist ja, dass sie einen zum Staunen bringen: Wie funktioniert das, was spielt sich da genau ab? Ich denke, das konnte ich ganz gut erreichen mit meiner Uhr, indem ich die Kugel als optische Illusion schweben lasse. Man sucht den Zeiger, den es nicht gibt, und muss sich für die Stunde an der Kugel orientieren. Die Minute habe ich aus Gründen der Kraftübertragung wegrationalisiert.
Welche Herausforderungen sind Ihnen bei der Umsetzung begegnet?
Ich hatte wegen eines Austauschprogramms ungefähr zwei Wochen weniger Zeit und musste außerdem das Außenmaß meines Modells verkleinern, da es Probleme mit dem angelieferten Messing für mein Gehäuse gab. Das hatte diverse Änderungen zur Folge und ich musste auf manche Dinge verzichten, wie den geplanten Klangstab für den Wecker und die Idee, einen Stein in die Krone einfassen zu lassen im Stil der Krone von Cartier.
Wie sind Sie zur Uhrmacherei gekommen?
Ich bin gelernter Hotelkaufmann. In der Hotellerie werden alle paar Jahre die Fundsachen aufgelöst, und da war einmal ein Satz Uhren dabei. Ein paar davon waren mechanische Uhren, die alle nicht funktionierten. So habe ich angefangen, mir das autodidaktisch beizubringen, wie man sie reparieren kann, manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg. Vor drei Jahren habe ich dann beschlossen, meinen Beruf daraus zu machen und die Ausbildung zum Uhrmacher begonnen.
Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Ich mag es, wenn Form und Funktion miteinander einhergehen, deshalb habe ich meine Uhr auch so konzentriert, dass sie aus wenigen Bauteilen besteht. Danach suche ich auch, wenn ich mir selbst Uhren aussuche, dass sie einen gewissen pragmatischen Ansatz haben und gleichzeitig eine ästhetische Komponente.
Wo sehen Sie sich später als Uhrmacher?
Ich möchte auf jeden Fall selbst Uhren bauen. Ob große oder kleine, das entscheidet sich noch. Aber dafür muss ich noch ein paar Jahre Erfahrungen sammeln. Dann werde ich mich auf den Weg machen und mich selbstständig machen und meine eigenen Projekte umsetzen.
„Was mir an diesem Preis am meisten gefällt, ist, das Talent und die grenzenlose Kreativität dieser jungen Menschen zu entdecken.“
Karim Drici, Direktor der Uhren-Manufaktur von Cartier
Monsieur Drici, woran erkennen Sie, wenn sich ein junger Mensch bei Ihnen um eine Lehrstelle als Uhrmacher oder Uhrmacherin bewirbt, dass er oder sie das Talent dazu haben könnte?
Karim Drici: Abgesehen vom Talent, das man sich aneignen und vor allem nähren und entwickeln muss, muss man sich für die Uhrmacherei begeistern, sowohl in technischer als auch in kreativer Hinsicht. Das ist meiner Meinung nach die Grundvoraussetzung, um eine Karriere als Uhrmacher anzustreben. Es ist vor allem ein Beruf der Leidenschaft.
Was sind die wichtigsten Voraussetzungen, um in diesem Beruf erfolgreich zu sein, aber auch, um selbst glücklich und zufrieden mit seiner Arbeit zu sein?
Um in diesem Beruf erfolgreich und gleichzeitig glücklich zu sein, muss man wie gesagt sehr leidenschaftlich sein. Zweitens ist klar, dass es sich auch um anspruchsvolle Tätigkeiten handelt, die Präzision, Konzentration und Belastbarkeit erfordern. Man muss es lieben, sich selbst zu übertreffen und Lösungen für die Herausforderungen zu finden, an denen es bei der Herstellung einer Uhr nicht mangelt. Eine weitere wesentliche Voraussetzung ist der Austausch und die Synergie mit erfahreneren Uhrmachern, die ein unverzichtbares Glied bei der Weitergabe von Wissen und Können sind.
Was wird von den Teilnehmern des Prix Cartier Talents Horlogers de Demain erwartet?
Der Preis stellt eine echte Herausforderung für die Auszubildenden dar, von denen die meisten noch nicht über den Prototypenbau hinausgekommen sind und noch nie eine Uhrenkreation von Grund auf durchdacht und angefertigt haben. Darüber hinaus wird den Kandidaten jedes Jahr eine technische und kreative Herausforderung gestellt. Für die Ausgabe 2024 mussten die Auszubildenden und Techniker das Uhrwerk einer Pendeltischuhr überdenken und dabei das Thema „Magie der Sinne“ erforschen. Die Einzigartigkeit des Preises liegt somit in dieser doppelten Anforderung, eine Kreation vorzuschlagen, die sowohl technisch als auch kreativ ist.
Was gefällt Ihnen persönlich an diesem Wettbewerb?
Was mir an diesem Preis am meisten gefällt, ist, das Talent und die grenzenlose Kreativität dieser jungen Menschen zu entdecken. Auch ihre Leidenschaft für die Uhrmacherei ist ansteckend. Sie sind eine Inspirationsquelle für das Haus Cartier!
Hat Cartier dank dieses Preises bereits junge Talente für sich finden können?
Es ist nicht das Ziel von Cartier, die Kandidaten nach Abschluss des Preises zu rekrutieren, sondern ihre Arbeit hervorzuheben und ihr Talent vor einem möglichst breiten Publikum zu feiern. Außerdem richtet sich der Preis an junge Lehrlinge und Techniker, die aus den besten Schulen und Ausbildungszentren der Schweiz, Frankreichs, Deutschlands und Belgiens kommen und sich noch in der Ausbildung befinden. Mit diesem Wettbewerb möchte das Haus vor allem junge Talente in ihrer Berufung zur Uhrmacherei bestärken. Die Zukunft der Uhrmacherei liegt in ihren Händen!
Weitere Infos:
Prix des Talents Horlogers de Demain
Maison des Métiers d’Art von Cartier