Dienstag, 14. Oktober 2025
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Magazin für modernes Leben
Tiara von Cartier London (1937): Aquamarine und Diamanten in Platin, frontal freigestellt vor schwarzem Hintergrund. Foto: Vincent Wulveryck, Collection Cartier © Cartier
Cartier im Victoria & Albert Museum

Glanz, Macht und Mythos

Ikonen einer Maison, vom Königszitat bis Hollywood. Im Oktober lockt das V&A noch einmal mit besonderen Programmpunkten zur großen Cartier-Schau – von vertiefenden Sessions bis zu Talks mit den Kuratorinnen.
Foto: Vincent Wulveryck, Collection Cartier © Cartier

Cartier ist der König der Juweliere und der Juwelier der Könige – dieses geflügelte Wort prägte um 1900 der britische König Edward VII. Ein guter Grund für das Victoria & Albert Museum in London, die umfangreiche Sammlung der Juwelen und Uhren der Maison in einer einzigartigen Ausstellung zu präsentieren.

Im Oktober lockt das V&A noch einmal mit besonderen Programmpunkten rund um „Cartier“: vom V&A‑Academy‑Wochenend‑Workshop „Hand & Lock Embroidery“ (11.–12. Oktober) bis zum Talk „Cartier’s Panther“ am 13. Oktober – auf Wunsch auch als Livestream. Begleitende Features und Videos vertiefen die Schau.

Panthère-Clip-Brosche von Cartier Paris (1949): diamant- und saphirbesetzter Panther, der auf einer großen blauen Saphirkugel sitzt; freigestellt vor weißem Hintergrund.
Panthère-Clipbrosche, 1949 – aus der Cartier Collection: 1948 setzte Cartier den Panther erstmals als plastisch, anatomisch modellierte Figur auf einen Smaragd-Cabochon – ein Auftrag der Duchess of Windsor, die für ihren kompromisslosen Stil bekannt war. Ein Jahr später entstand eine weitere Brosche, diesmal auf einem Saphir-Cabochon. Diese Panthère-Brosche wurde zur Ikone des Hauses und ist seither regelmäßig in internationalen Ausstellungen der Cartier Collection zu sehen.Foto: Nils Herrmann für Cartier Collection © Cartier

Louis-François: Erneuerer mit Respekt vor der Form

Louis-François Cartier, der 1847 die Geschicke der Maison in seine Hände nahm, war ein Erneuerer, der lieber Trends schuf als ihnen zu folgen. Er war auch ein Juwelier, der der berühmteste Juwelier der Welt werden wollte. Sein Kundenkreis gehörte zur feinsten Gesellschaft, zu Hause in den vornehmsten Salons an den exklusivsten Orten. Neuerungen in der Gestaltung seiner Schmuckstücke führte er mit gebührendem Respekt für klassische Formen ein.

In den 1890er-Jahren standen die bildenden Künste unter dem Einfluss des Art nouveau, aus dem sich der Jugendstil in Deutschland, der „Modern Style“ in Großbritannien und die Sezession in Österreich entwickelten. Die Linien sind selten gerade, eher wellenförmig. Die Darstellung der Natur folgt eher suggestiven als figürlichen Kriterien, mit rankendem Blattwerk und Blüten.

Rosettenförmige Clip-Brosche von Cartier London (1938) aus Diamanten und Platin; plastisch modellierte Blütenblätter und gebogener Stiel, freigestellt vor schwarzem Hintergrund.
Rosen-Clip-Brosche, Cartier London, 1938. Diamanten und Platin.Foto: Vincent Wulveryck, Collection Cartier © Cartier

Platin und das Licht der Steine

Die scheinbar traditionsbewusste Wiederaufnahme des floralen Girlandenstils in Verbindung mit dem neuen Material Platin ist ein gutes Beispiel für die Fähigkeit Cartiers, das Gleichgewicht zwischen Tradition und Weiterentwicklung zu wahren. Die Härte des Edelmetalls Platin ermöglichte dem Juwelier, Diamanten und andere Edelsteine in filigranen Fassungen zu fixieren und so den Stein mit größtmöglichem Lichteinfall zum Leuchten zu bringen.

Alfred Cartier – moderner Netzwerker

Louis-François' einziger Sohn, Alfred Cartier, der 1874 im Alter von 33 Jahren das Unternehmen übernahm, hatte von seinem Vater gelernt, dass ein exklusives Kundennetzwerk essenziell für den Verkauf der Juwelen, Uhren und dekorativen Objekte ist. Nicht selten bat er bestehende Kunden um Referenzen und erweiterte so geschickt den Kundenkreis.

Manchester Tiara (Cartier Paris, 1903), Diamanten in Gold und Silber; herzförmige, durch Arkaden verbundene Ornamentik, freigestellt.
Manchester Tiara, gefertigt von Georges Harnichard für Cartier Paris. Die Tiara wurde 1903 von der Herzogin von Manchester bei Cartier in Auftrag gegeben. Die in New York als Consuelo Yznaga geborene kubanisch‑amerikanische Erbin war eng mit den Vanderbilts befreundet und erhielt mit der Hochzeit Zugang zur britischen Aristokratie. Diamantbesetzte Arkaden verbinden sich herzförmig zu einer Tiara. Die Diamanten stammen aus dem Besitz der Herzogin, Cartier fertigte die neue Fassung. 2007 wurde das Schmuckstück im Rahmen der britischen „in lieu of inheritance tax“-Regel dem V&A zugewiesen. Foto: Victoria and Albert Museum, London

Es traf sich gut für die Maison, dass 1902 die Krönung König Edwards VII., dem Erstgeborenen von Königin Victoria, in London stattfinden sollte. Der Thronfolger war bereits seit Jahren ein guter Kunde von Cartier. Die geladenen Krönungsgäste wandten sich an den Pariser Juwelier, um ihren Schmuck neu fassen zu lassen. Im gleichen Jahr eröffnete die Maison ihre erste Niederlassung in London, und bei der Krönung von König Edward VII. und Prinzessin Alexandra sah man zahlreiche Tiaras, Colliers und Armbänder aus dem Haus Cartier, die derzeit sehr eindrucksvoll im Victoria & Albert Museum zu bewundern sind.

Die dritte Generation: Paris, London, New York

Die Erfolgsgeschichte der Maison setzt sich mit der Eröffnung einer weiteren Niederlassung in New York fort. So hatten die Brüder Louis (1874–1942) in Paris, Jacques (1884–1941) in London und Pierre (1878–1959) in New York das Unternehmen in drei Niederlassungen aufgeteilt, was geschäftlich – vor allem aufgrund der politischen Lage in Europa – nicht ganz einfach war. Kreatives Zentrum blieben die Werkstätten in Paris, die unter dem Motto „Never copy, only create“ weiterhin die kreativsten Schmuckkollektionen entwarfen.

Belle Époque, Gilded Age und die nouveaux riches

Die fortschreitende Industrialisierung in Europa und in den Vereinigten Staaten führte zu einer Zeit der wirtschaftlichen Stabilität, die eine neue Gesellschaftsschicht, die „nouveaux riches”, hervorbrachte. Die Belle Époque in Europa und das Gilded Age in Amerika fanden eine soziale Wertschätzung der vornehmen europäischen Traditionen. So heirateten zahlreiche amerikanische „Dollar-Prinzessinnen“ in die englische Aristokratie ein und brachten neues Geld in die Welt des alten britischen Adels. Selbstbewusst und selbstständig beauftragten sie die Maison mit der Kreation wertvoller Schmuckstücke, die sie aus eigener Tasche bezahlten.

Ölporträt von 1929 (Giulio de Blaas): Marjorie Merriweather Post sitzt mit Tochter Nedenia auf einem Sofa; die Mutter trägt lange Perlenketten und eine auffällige smaragdgrüne Cartier-Schulterbrosche vor beigefarbenem Vorhang.
Marjorie Merriweather Post mit ihrer Tochter Nedenia, Ölbild von Giulio de Blaas aus dem Jahr 1929 – sie trägt eine auffällige Smaragd-Schulterbrosche von Cartier.Foto: Brian Searby. Courtesy Hillwood Estate, Museum & Gardens.

Marjorie Merriweather Post gehörte zur erfolgreichen amerikanischen Post-Cereal-Familie und war mit 27 Jahren bereits die reichste Amerikanerin ihrer Zeit. Sie war eine leidenschaftliche Kunstsammlerin und liebte Cartier. 1928 ließ sie eine Brosche aus indischen gravierten Smaragden von insgesamt 250 Karat bei Cartier New York zu einer Schulterbrosche umarbeiten.

Hochformatiges Foto einer großen Cartier-Smaragdbrosche (New York, 1928): Platin, Diamanten und mehrere gravierte Smaragd-Tropfen/-Kugeln; reich verzierte Aufhängung, freigestellt vor grauem Verlauf.
Detail der Cartier Smaragdbrosche von Marjorie Merriweather Post. Foto: Erik Kvalsvik. Courtesy Hillwood Estate, Museum & Gardens.
Mountbatten-Bandeau im Tutti-Frutti-Stil (Cartier London, 1928): gravierte Smaragde, Rubine und Saphire mit Diamanten in Platin; frontal freigestellt vor schwarzem Hintergrund.
Mountbatten-Bandeau im Tutti-Frutti-Stil für Cartier London, 1928. Smaragde, Rubine, Saphire, Diamanten und Platin. Der indische Schmuckstil war in den 1920er-Jahren sehr beliebt und fand seinen Höhepunkt in der Tutti-Frutti-Kollektion von Cartier. Ornamental geschliffene Smaragde, Rubine und Saphire sind eng aneinandergereiht, in Form kleiner Blüten und Blättchen; als Lichtreflexe dienen die zwischen die Farbsteine gesetzten Diamanten. Fassung und Schliff verleihen den Schmuckstücken eine dreidimensionale Fülle.Foto: Victoria and Albert Museum, London
V-förmiges Collier von Cartier (2024) mit gravierten Smaragden, Rubinen und Saphiren sowie Diamanten; großer smaragdgrüner Tropfenanhänger, freigestellt.
Zeitgenössisches Collier von Cartier im Tutti-Frutti-Stil, 2024, Privatsammlung.Foto: Maxime Govet © Cartier


Die Ausstellung zeigt neben den kostbaren Juwelen auch Uhren und bezaubernde Deko-Objekte wie die ikonischen „Mystery Watches“ aus der V&A- und Cartier-Sammlung sowie bisher unveröffentlichte Zeichnungen und Leihgaben Seiner Majestät des Königs aus der Royal Collection, aus großen britischen Museen sowie aus Privatsammlungen.

Die Königshäuser und der Adel waren stilgebend bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und beeinflussten die Moden der Zeit. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen mit wachsender Bedeutung der Filmindustrie die Schauspielerinnen aus Hollywood hinzu.

Zwei breite Art-Déco-Armreifen von Cartier, mit Brillanten und Baguette-Diamanten besetzt; ein Armreif steht aufrecht, der andere liegt flach, freigestellt auf weißem Hintergrund.
Die Schauspielerin Gloria Swanson erwarb 1930 auf der Höhe ihres Erfolgs zwei breite, diamantbesetzte Platinarmbänder. Damals war es üblich, dass die Schauspielerinnen in den Filmen ihren eigenen Schmuck trugen. Die beiden Armbänder hatten unter anderem ihren Auftritt in dem Billy-Wilder-Film „Sunset Boulevard“ von 1950. Foto: Cartier Collection © Cartier
Zeichnung einer Diamantbrosche in Blütenform mit einem großen rosafarbenen Diamanten in der Mitte, Stil und zwei Blättern, alles diamantbesetzt.
Zu den berühmtesten Juwelen der Maison zählt die Williamson‑Diamant-Brosche, die 1953 von Königin Elisabeth II. in Auftrag gegeben wurde und mit dem Williamson‑Diamanten von 23,6 Karat besetzt ist. Den äußerst seltenen rosafarbenen Diamanten hatte Elisabeth II. zu ihrer Hochzeit geschenkt bekommen. Das Design spiegelt die Liebe der Königin zu floralem Design wider. Hier die Illustration des Schmuckstücks aus der Feder von Frederick A. Mew, langjähriger Designer von Cartier London (1930er–1950er). Er entwarf die Brosche für den Williamson-Diamanten. Sein zeichnerischer Nachlass liegt im Victoria & Albert Museum.Bild: The Royal Collection / HM Charles III.


Die Kuratorinnen der Ausstellung, Helen Molesworth und Rachel Garrahan, beschreiben die Schau: „Cartier ist eines der berühmtesten Juwelierhäuser der Welt. Die Ausstellung zeigt, wie Louis, Pierre und Jacques Cartier gemeinsam mit ihrem Vater Alfred eine Strategie aus originellem Design, außergewöhnlicher Handwerkskunst und internationaler Expansion verfolgten, die den Pariser Familienjuwelier zu einem bekannten Namen machte. Mit seiner Schmuckkollektion von Weltrang ist das V&A die perfekte Bühne, um die Pionierleistungen von Cartier und seine transformative Fähigkeit zu würdigen, seit über einem Jahrhundert im Zentrum von Kultur und Kreativität zu stehen.“

„Model A“ Mystery Clock (Cartier Paris, 1914), von Maurice Couët: rechteckige Uhr aus Bergkristall mit goldenen römischen Ziffern und diamantbesetzten Zeigern auf Achat-Sockel.
Die Tischuhr namens Modell A ist der erste Typ einer Mystery Clock, der ab 1912 von Cartier hergestellt wurde. Als Kreationen von hohem Seltenheitswert, die sich auf der ganzen Welt einer großen Beliebtheit erfreuten, wurden mehrere Modell-A-Tischuhren von berühmten Persönlichkeiten erworben. Diese hier beispielsweise wurde an den Grafen Greffulhe verkauft, den Gemahl der berühmten Gräfin Greffulhe. Die Gräfin war laut Marcel Proust „die schönste Frau Europas“ und diente ihm als Vorbild für seine Romanfigur, die Herzogin von Guermantes. Die Uhr wurde 1914 gefertigt und ist somit die älteste Mystery Clock in der Collection Cartier. Materialien: Platin, Gold, Bergkristall, Weißer Achat, Saphire, Diamanten, Weiße Emaille.Foto: Nils Herrmann, Collection Cartier © Cartier

Weitere Infos

Die Ausstellung ist bis zum 16. November 2025 im Victoria & Albert Museum, London, zu sehen.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Helen Molesworth und Rachel Garrahan, CARTIER, V&A Publishing, 2025.

Besonders lesenswert: Francesca Cartier Brickell, The Cartiers – The Untold Story of the Family behind the Jewellery Empire, Ballantine Books, New York, 2019.

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