
Ein Statement für immer
Wenn in Desiree Sielaffs Atelier, einer kleinen Werkstatt in der „Goldstadt” Pforzheim, ein neues Schmuckstück entsteht, beginnt alles mit dem rohen Metall. Es wird über dem Gesenkblock mit dem Hammer in Form gebracht, erhitzt, abgemessen, geschliffen, poliert. Jeder Arbeitsschritt verlangt Präzision – und lässt dabei Raum für Intuition. Sielaffs Bilder aus der Werkstatt zeigen Funkenflug und Flamme, Werkzeuge und Messinstrumente, die aus einer unscheinbaren Metallkante ein außergewöhnliches Schmuckstück formen.

„Schmuck ist für mich mehr als ein Accessoire – er erzählt Geschichten und verbindet Menschen“, sagt die Designerin. Es ist ein Satz, der erklärt, warum Sielaff ihre Arbeit so stark im Handwerklichen verankert. In der Kombination von Metall und Edelstein sieht sie nicht nur Material, sondern eine Ausdrucksform, die unverwechselbar sein soll.

Unikate auf Nachfrage
Bislang war ihre Kollektion geprägt von sehr individuellen, aber nicht limitierten Stücken. Viele ihrer Ringe entstehen auf Basis frei kombinierbarer Farbedelsteine, die in unterschiedlichen Fassungen gefertigt werden können – einzig die Verfügbarkeit der Steine setzt Grenzen. Dieses Konzept prägt den Großteil ihrer Kreationen.
Doch immer wieder kam die Nachfrage nach Stücken, die tatsächlich nur ein einziges Mal existieren. Ein Ring, der nicht reproduzierbar ist, weil er sich um genau einen besonderen Stein herum formt. „Diese Ringe erzählen keine wiederholbaren Geschichten. Sie entstehen nur ein einziges Mal – genau so, wie sie gemeint sind“, sagt Sielaff.
So entstand die Reihe der One-of-a-kind-Ringe – aus dem Wunsch von Kundinnen und Kunden, ein Schmuckstück zu besitzen, das nur für sie existiert. Nun bietet Sielaff diese Möglichkeit auch offiziell an: Ringe, die vollständig nach den Vorstellungen ihrer künftigen Trägerinnen und Träger entworfen werden.


Vom Rohling zum Juwel
Die Bilder aus der Werkstatt veranschaulichen den kreativen und handwerklichen Prozess. Im ersten Schritt wird das Metall geschmiedet und gerundet, mit Hammer und Gesenkblock. Später folgen Messungen der Ringgröße und der Steine – Millimeterarbeit, bei der es um exakte Passformen geht. Eine offene Flamme erhitzt das Material, wenn Teile zusammengefügt und Anpassungen vorgenommen werden müssen, bevor überschüssiges Metall abgeschliffen wird.
Erst ganz am Ende erhält das Stück durch das Polieren seinen Glanz. In diesem Moment wird sichtbar, was zuvor nur eine Idee war: ein Ring, der wie selbstverständlich wirkt, obwohl er das Ergebnis vieler kontrollierter Handgriffe ist.


Symbolik und Handschrift
Ein besonderes Detail ziert außerdem jedes Schmuckstück von Desiree Sielaff: die kleine eingravierte Schwalbe. Sie erinnert die Designerin an ihre Mutter – die sie früh verlor – und steht für Hoffnung, Liebe und Zuversicht. Damit trägt jedes Schmuckstück eine zweite Ebene in sich – eine Symbolik, die über das sichtbare hinausgeht.
Auch die Auswahl der Materialien folgt klaren Prinzipien. Verarbeitet wird 18-Karat-Gold in Weiß, Rosé und Gelb, teilweise auch Platin, kombiniert mit charakterstarken Edelsteinen wie Turmalin, Saphir oder Spinell. Beschafft werden sie über vertrauenswürdige Händler in Idar-Oberstein, das Gold stammt größtenteils aus Fairtrade-Quellen. „Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend, sondern eine Verpflichtung“, sagt Sielaff.

Schmuck als Prozess
Die Arbeit der 1988 geborenen Münchnerin ist dabei nicht allein von Formästhetik geprägt. Ihre Biografie – Stationen bei KaDeWe, Tamara Comolli und Tiffany – zeigt, dass sie den Schmuckmarkt aus Konzernperspektive kennt. Den Schritt in die Selbstständigkeit wagte sie mitten in der Pandemie. Entscheidend war ein Moment in einer kleinen Goldschmiede, als sie den ersten selbst entworfenen Ring in Händen hielt: „Da wusste ich, dass ich diesen Weg gehen muss.“
Heute setzt sie ihre Erfahrung in ihrem eigenen Unternehmen ein. Anders als die großen Marken lebt ihr Atelier vom individuellen Prozess. Kundinnen bringen eigene Ideen oder alte Schmuckstücke, die umgearbeitet werden sollen. Andere lassen sich von der Wirkung eines einzelnen Steins leiten. In allen Fällen führt der Weg zurück an die Werkbank: zu Hammer, Flamme und Messschieber.

Der Blick nach vorn
Sielaffs Zukunftsvision ist von Beständigkeit geprägt. Sie spricht von Wertschätzung für handgefertigten Schmuck, von der Bedeutung kleiner Labels und davon, wie Schmuck über Generationen hinweg bestehen kann. Die Bespoke-Ringe markieren dabei eine Erweiterung: Sie geben Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, gemeinsam mit der Designerin ein Stück zu entwickeln, das zugleich persönlich und handwerklich präzise ist – die geduldige Transformation von Metall und Stein zu einem Schmuckstück mit Geschichte.
„In der Bespoke-Arbeit bin ich nicht nur Gestalterin, sondern auch Zuhörerin, Beraterin und Übersetzerin.“

5 Fragen an Desiree Sielaff
Frau Sielaff, was unterscheidet die Arbeit an einem Bespoke-Ring von der an Ihren anderen Schmuckstücken?
Desiree Sielaff: Bei einem Bespoke-Ring steht die persönliche Geschichte und Emotion der Kunden im Mittelpunkt. Ich arbeite nicht nur mit Edelmetallen und Steinen, sondern auch mit Erinnerungen, Bedeutungen und Geschichten. Gemeinsam mit den Kunden wird etwas für sie oder ihn Bedeutsames kreiert.
Es ist eine sehr persönliche Reise, auf die ich mich mit meinen Kunden begeben darf. Wir überlegen gemeinsam, welches Design am besten passt und nehmen uns hierbei sehr viel Zeit, bis das perfekte Stück gefunden ist. Bei meinen eigenen Designs folge ich stärker meiner eigenen Intuition, bei Bespoke geht es darum, diese mit den Vorstellungen und Wünschen meiner Kunden zu verweben.
Wie läuft der Prozess ab, wenn eine Kundin mit einer eigenen Vorstellung zu Ihnen kommt?
Für mich ist immer am schönsten, zu hören, welche Motivation hinter dem Stück steckt. An dieser Stelle darf ich in ganz besondere und persönliche Geschichten eintauchen. Die ersten Farben und Formen entstehen bereits dann in meinem Kopf. Als Nächstes recherchiere ich gemeinsam mit meinen Kunden die Formen, Farben und Edelsteine, die zur Geschichte passen könnten. Anschließend entstehen erste Zeichnungen. Hier wird jedes einzelne Detail beachtet.
In enger Zusammenarbeit entwickelt sich dann die Idee weiter. Ein Schmuckstück muss vor allem reifen, weswegen es so wichtig ist, hier viel Zeit einzuplanen. Dann kommt der große Moment: das 3D Design! Ein CAD-Modell bringt das Design zum Leben und macht es greifbar und sehr anschaulich. Dieser Schritt ist für immer sehr wichtig, da hier das Stück zum ersten Mal richtig zu sehen ist! Die Vorstellungskraft kann hier ganz anders arbeiten. Sobald wir ein Design gefunden haben, mit dem meine Kunden glücklich sind, beginnt die Umsetzung beim Goldschmied und die Vorfreude steigt.
Die Möglichkeit der Bespoke-Arbeit verändert also Ihre Rolle als Designerin – Sie werden stärker zur Übersetzerin von Ideen?
Ja, absolut. In der Bespoke Arbeit bin ich nicht nur Gestalterin, sondern auch Zuhörerin, Beraterin und Übersetzerin. Kunden bringen Gefühle, Geschichten und manchmal nur ganz vage Vorstellungen mit – meine Aufgabe ist es, daraus ein tragbares, ästhetisches und zugleich individuelles Schmuckstück entstehen zu lassen. Es geht weniger um meine Handschrift allein, sondern um die Balance zwischen meiner Gestaltungssprache und der Persönlichkeit der Kundin. Meine Aufgabe ist es, all die Impulse in eine Formensprache zu bringen, die sowohl technisch umsetzbar ist als auch ästhetisch überzeugt. Dabei muss ich immer zwischen meinen eigenen künstlerischen Instinkten und den Wünschen der Kunden vermitteln. Es ist sehr spannend, manchmal fühle ich mich wirklich wie eine Art Dolmetscherin.
Gab es schon einmal eine Kundin oder einen Kunden, deren Vorstellungen Sie handwerklich richtig herausgefordert haben?
Ja, das passiert tatsächlich immer wieder. Manchmal bringen Kunden Ideen mit, die technisch auf den ersten Blick kaum umsetzbar wirken – etwa ungewöhnliche Steinformen oder komplexe Fassungen. Gerade diese Projekte sind für mich aber besonders spannend, weil sie mich dazu zwingen, neue Lösungen zu finden, um das perfekte Stück zu entwerfen. Oft liegt die Herausforderung nicht in der handwerklichen Umsetzung, sondern im kreativen Prozess.
Manche Kunden bringen sehr klare, manchmal auch ungewöhnliche Vorstellungen mit – etwa bestimmte Symbole, die in das Design integriert werden sollen, oder Wünsche, die auf den ersten Blick nicht zu meiner eigenen Formensprache passen. Dann besteht meine Aufgabe darin, diese Ideen so zu übersetzen, dass sie sowohl die Persönlichkeit der Kunden widerspiegeln als auch mit meiner eigenen Ästhetik in Einklang stehen.
Manchmal fordert mich auch die Reduktion heraus: Kunden wünschen sich beispielsweise ein sehr minimalistisches Design, bei dem jedes Detail stimmen muss. In solchen Fällen liegt die Schwierigkeit darin, mit möglichst wenig Gestaltungselementen trotzdem etwas Ausdrucksstarkes zu schaffen. Andere Male geht es darum, Gegensätze – etwa Tradition und Moderne harmonisch zusammenzuführen. Diese Momente sind für mich besonders spannend, weil sie mich zwingen, meine Komfortzone zu verlassen und gestalterisch neue Wege zu gehen. Oft entstehen genau aus diesen Herausforderungen die individuellsten Stücke.
Was sind für Sie die größten Unterschiede zwischen einem Ring, den Sie frei entwerfen, und einem Bespoke-Ring im Dialog mit jemandem?
Ein frei entworfener Ring ist für mich wie ein Ausdruck meiner eigenen künstlerischen Stimme – ich entscheide allein über Form, Material und kann eine eigene Geschichte hierzu erzählen. Ein Bespoke-Ring hingegen ist wie eine Art Dialog. Ich gebe zwar die gestalterische Richtung, aber die letztendliche Entscheidung kommt stark von der Kundin oder vom Kunden. Das Ergebnis ist oft ein sehr persönliches Stück, das durch diese gemeinsame Arbeit eine ganz eigene Intensität und Tiefe erhält.
Weitere Infos:
Homepage Desiree Sielaff
