Montag, 6. Oktober 2025
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Ordentlich sortierter begehbarer Kleiderschrank mit Kleidung und Schuhen als Symbol für Überkonsum und Textilmüll in der EU.
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Foto: tiero/iStock
Zahl der Woche

Modemüll pro Kopf und Jahr in Kilo

12 Kilo Kleidung und Schuhe landen pro Kopf und Jahr im EU-Müll. Ein neues Gesetz soll Textilabfälle reduzieren, die Hersteller zur Kasse bitten – und Fast Fashion in die Pflicht nehmen.
Foto: tiero/iStock

Jede Bürgerin und jeder Bürger der EU wirft pro Jahr 12 Kilogramm Kleidung und Schuhe in den Müll. Das sind zusammen 5,2 Millionen Tonnen, die sich mit weiteren Textilien wie Bettwäsche, Vorhänge etc. zu einem Textilmüllberg von 12,6 Millionen Tonnen anhäufen.

Diese Zahlen hat soeben das Europäische Parlament im Rahmen eines neu verabschiedeten Gesetzes zur Vermeidung von Lebensmittel- und Textilabfällen veröffentlicht. Das Gesetz ist Teil der erweiterten Herstellerverantwortung, abgekürzt mit EPR (Extended Producer Responsibility), die künftig den Berg an weggeworfener Mode eindämmen soll.

12 Kilo pro Kopf: So viel Kleidung landet jedes Jahr im Müll

Doch wie viel sind eigentlich 12 Kilogramm Kleidung? Das entspräche zum Beispiel einem Müllsack voll mit 5 Hosen, 10 T-Shirts, einem Mantel, 4 Kleidern, 5 Röcken und 7 Pullis. Das ist eine ganze Menge.

Warum Mode heute billiger ist als ein Espresso

Dass wir so viel Kleidung verbrauchen, liegt auch daran, dass Kleidung in den vergangenen Jahren immer billiger wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts, in der Spätphase der Industrialisierung, gab eine Familie Schätzungen zufolge 22 Prozent ihres jährlichen Budgets für Kleidung aus. Im Jahr 2022 sind es laut dem Statistischen Bundesamt nur noch 4 Prozent.

Und das ist der Prozentsatz, bevor Ultra-Fast-Fashion-Anbieter aus China auf dem europäischen Markt starteten: Temu hatte seinen EU-Markteintritt im April 2023. SHEIN war schon Jahre zuvor in EU-Märkten online aktiv, 2022/2023 folgten sichtbare Infrastruktur-Schritte in Europa. So kostet ein Kleidungsstück heute oft weniger als ein Espresso in einem Straßencafé. Die Globalisierung und die konstante Ausbeutung bestimmter Bevölkerungsgruppen wie auch des Planeten machen es möglich.

Accra, Atacama: Wo unsere Kleider enden

Die Folgen zeigen sich nicht nur auf den Textil-Müllbergen für unverkäufliche Secondhandkleidung und ungetragene Überproduktionen in Accra (Ghana) und der chilenischen Atacama-Wüste, sondern auch bei uns, wo die Kleidercontainer überquellen und Sortierer und Recyclingbetriebe vor großen Herausforderungen stehen. Der – vor allem billige – Mode-Überkonsum hat in den vergangenen Jahren zu großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und zunehmenden Insolvenzen bei den Sammlern, Sortierern und Recyclern von textiler Altware geführt, weil mit der wertlosen Kunstfaserware so gut wie nichts anzufangen ist.

EPR-Gesetz: Hersteller zahlen künftig für Textilmüll

Gerade für die strauchelnde Sammler- und Recyclingbranche ist das neue Gesetz daher eine gute Nachricht. Denn alle Hersteller, die „Textilien auf den Markt in der EU bringen”, müssen künftig die Kosten für das Sammeln, Sortieren und Recyceln der Textilien mittragen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ware im stationären Handel oder in einem Onlineshop verkauft wird. Die Vorschrift bedeutet auch, dass nicht nur jeder europäische Modeproduzent zur Kasse gebeten wird, sondern auch die Fast-Fashion- und Ultra-Fast-Fashion-Anbieter Verantwortung bis zum „End of Life“ für ihre Billigware übernehmen müssen.

Frankreich war Early Adopter, Deutschland hinkt hinterher

Sobald das EU-Gesetz in Kraft tritt, haben die EU-Länder 20 Monate Zeit, um die Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen, und 30 Monate, um es Wirklichkeit werden zu lassen. Mitte bzw. Ende 2027 könnten die neuen Gebühren fällig werden. Wie die Umsetzung konkret aussehen wird, bleibt jedem EU-Land selbst überlassen. Manche Mitgliedsstaaten, wie Frankreich (seit 2007), haben bereits aktive EPR-Verordnungen und sind damit einige Schritte weiter als Deutschland.

Wird Mode bald wieder teurer?

Es bleibt zu hoffen, dass auch die Verbraucherinnen und Verbraucher ihren Konsum überdenken. Abzusehen ist, dass die Produzenten die zusätzlichen Kosten auf ihre Kunden abwälzen und die Mode in der Folge wieder teurer werden könnte. Vielleicht macht die neue Maßnahme auch das Geschäftsmodell mancher Ultra-Fast-Fashion-Anbieter unrentabel, für die es dann keinen Sinn mehr macht, ihre Billigware auf den EU-Markt abzusetzen.

Weitere Infos:

Siehe auch unseren Artikel zum Thema Lebensmittelverschwendung.

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