Samstag, 4. Oktober 2025
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Frau in transparentem, cremefarbenem farbenem Mantel und Tüllkleid mit aufgenähten Blumen steigt eine Treppe in einer cremefarbenen Villa hinauf. Foto: Craig Blankenhorn/Max
Kommentar

Style schlägt Story

Kritiker lästern, Fans schauen weiter – und die Medien sind voll mit News über „And just like That...“. Auch unsere Autorin Barbara Markert kann der Fortsetzung der Millennium-Kultserie „Sex and the City“ trotz schwacher Handlung nicht widerstehen. Hier erklärt sie, warum.
Foto: Craig Blankenhorn/Max

Carrie Bradshaw und ihre Freundinnen sind derzeit omnipräsent in den Medien, ob online oder offline. Die dritte Staffel der Serie „And just like That…“ über das stylische Leben stylischer New Yorkerinnen ist in vollem Gange, und obwohl die ersten beiden Seasons dieser Fortsetzung der Y2K-Kultserie „Sex and the City“ von den Kritikern verrissen wurden, ist das Interesse groß.

And Just Like That… trotz Kritik überall präsent

Warum nur? Am Skript kann es kaum liegen. An den neuen, sehr diversen Freundinnen von Carrie, Charlotte und Miranda auch nicht. Obwohl sich die treue Fangemeinde langsam mit der resoluten und selbstbewussten Immobilienmaklerin Seema anfreundet. SATC-Insider fragen sich gar, ob Seema nicht eventuell die schwer vermisste Samantha ersetzen könnte. Doch warten wir ab, wie sich dieser Serien-Charakter mit der Zeit entwickelt.

Zwei Frauen im Sommerlook flanieren auf der Fifth Avenue vor Tiffany & Co.
Shopping-Ikone an der Fifth Avenue: Carrie und Charlotte auf dem Weg zu Tiffany & Co.Foto: Craig Blankenhorn/Max
Sarita Choudhury als Seema Patel in einem braunen Kleid auf dem Gehweg in New York, Staffel 3, Episode 6 von And Just Like That.
Sarita Choudhury als Seema Patel in Staffel 3, Folge 6 von And Just Like That.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Alles (fast) beim Alten – mit weniger Glanz

Ansonsten ist auch in der dritten Staffel dieser aufgewärmten Fortsetzung alles viel langweiliger als früher beim Original von Sex and the City (SATC): Die ehemals nüchterne Staranwältin Miranda benimmt sich nach Ehekrise und Selbstfindungsphase inklusive Coming-out zur Lesbe wie eine pubertierende 14-Jährige auf der Suche nach der wahren, nun eben gleichgeschlechtlichen Liebe. Sie baggert so ziemlich alle Frauen an, die nicht bei drei auf dem Baum sind.

Frau in silbernem Einteiler mit asymmetrischem Schnitt und pinken Ballons in einem eleganten Raum.
Der Story fehlt es an Glanz, den Stylings nicht: Miranda (Cynthia Nixon) feiert das Leben – und sich selbst.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Übermutter Charlotte, die in Chanel gleichzeitig kochen, telefonieren und die Familie organisieren kann, hat wieder zu arbeiten angefangen und jongliert jetzt zwischen Kunstgalerie, Designerküche und Lehrersprechstunde. Carrie ist weiter einfach Carrie, inzwischen Witwe, deshalb steinreich, weiter ohne Kind, dafür mit Katze und wohnt in einem überdimensionierten Haus, in dem sie etwas verloren wirkt, aber endlich ihre riesige Kleider- und Schuhsammlung unterbringt. Sie hat sich wieder mit ihrer früheren Liebe Aidan verbandelt, was die Fangemeinde schier auf die Barrikaden bringt. Denn Aidan ist so langweilig, dass die Serie sehr gut ohne ihn auskommen könnte.

Kurzum: Wer sich aufgrund des aktuellen Medien-Hypes nun fragt, ob er doch noch in die Serie einsteigen sollte, sei gewarnt. Wer das Original aus den späten 1990er- und frühen Nullerjahren nicht gesehen hat, der braucht sich die schlechte Fortsetzung nun wirklich nicht anzusehen … außer, sie/er interessiert sich für Mode.

Frau in einem Galerie-Kunstlager zwischen Regalen und Verpackungskisten, trägt schwarzen Chiffon und rosa Bouclé-Rock.
Zurück im Job – Charlotte in Chanel-inspiriertem Look zwischen Kind, Kunst und Karriere.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Warum ich trotzdem dranbleibe: Mode, Mode, Mode

Ich habe damals alle Folgen mit Genuss verschlungen, dann den ersten Film gesehen (den zweiten habe ich mir geschenkt) … und ziehe mir gerade im Akkord alle Folgen der Nachfolge „And just like that“ (AJLT) rein. Wahrscheinlich genau aus dem Grund, aus dem gerade alle Medien darüber berichten: Die Serie, die viel Sex und leider wenig Inhalt liefert, ist endlich mal wieder eine große Show über die Mode. Und das hat mir wahrhaft gefehlt! Hinweis an alle Fans von „Emily in Paris“: Sorry, netter Versuch, aber als Wahl-Pariserin kann ich die Serie leider nicht ernst nehmen.

Kristin Davis (Charlotte) und Sarah Jessica Parker (Carrie) beim Shoppen in einer Boutique; Carrie trägt die ikonische Taubentasche von JW Anderson.
Kristin Davis und Sarah Jessica Parker in And Just Like That…: Während Charlotte eine klassische Handtasche begutachtet, sorgt Carrie mit ihrer JW-Anderson-Taubentasche auch beim Serienpublikum für Gesprächsstoff.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Carries ikonische Outfits: Taube, Tüll und Margiela

Doch zurück zu unseren Uptown-Girls aus New York: Endlich gibt es auf den Bildschirmen wieder Looks, die man so noch nicht gesehen hat. Einige sind nur missglückt, bei manchen reicht es sogar bis zum Fremdschämen, aber dann gibt es eben auch zahlreiche Outfits, bei denen Fashion-Victims das Herz aufgeht. Vor allem die Saison Zwei hat echte Knaller zu bieten.

Wer zum Beispiel kann ernsthaft die 3-D-gedruckte Tauben-Tasche von JW Anderson tragen, ohne dabei komplett lächerlich auszusehen? Nur Carrie Bradshaw! Sie ist die Einzige, bei der das sperrige Teil einer lebensgroßen Tauben-Nachbildung aus Kunstharz – in der Armkehle getragen – noch elegant aussieht. Wer es trotzdem ausprobieren will: Das Stück kann man tatsächlich kaufen.

Frau im voluminösen, gesteppten Daunenmantel mit Strickmütze im Schneesturm.
Carrie trotzt dem New Yorker Winter – wenig praktisch, aber umso stylischer, in einem Moncler-Mantel mit den Dimensionen eines Reifrocks.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Oder wer würde bei einem echten Schneesturm in einem Monstrum eines Daunen-gesteppten Moncler-Outfits, das einem Reifrock des 18. Jahrhunderts in Form und Volumen ähnelt, zu Fuß den New Yorker Schneeflocken trotzen? Wer ein durchsichtiges, vor Romantik triefendes Organza-Kleid mit aufgenähten, tellergroßen Blumen-Applikationen zu einem normalen Nachmittags-Spaziergang in der City tragen? Die Antwort ergibt sich von selbst.

Eines meine Lieblingsoutfits von Carrie Bradshaw ist ein fleischfarbener Body zu einem gerafften Jeansrock von Maison Margiela. Für dieses Outfit verzeihe ich ihr sogar den schrecklichen Gingham Hut von Maryam Keyhani, der halb so groß ist wie die ganze zarte Darstellerin Sarah Jessika Parker

Frau im beigen Body und drapiertem Jeansrock auf der Türschwelle eines Stadthauses.
Stylische Lässigkeit: Carrie in Maison Margiela auf den Stufen ihres neuen Zuhauses.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Wer rausfliegt, wer bleibt: Die modische Auslese

Maximale Stylings sind das Kennzeichen dieser Serien-Fortsetzung. Wer da als Serien-Protagonistin nicht mithalten kann, fliegt raus. Die non-binaire Che Diaz (gespielt von Sara Ramírez), die komplett in Schwarz modisch uninteressant blieb, und Uniprofessorin Nya Wallace (Karen Pittman), die es nicht schaffte, ihre Ethno-Outfits mit Relevanz aufzuwerten, wurden beide für Staffel drei aus dem Drehbuch gestrichen.

Geblieben ist Lisa Todd Wexley (Nicole Ari Parker), die neue beste Freundin von Charlotte, die in ihren schrägen Looks sogar Carrie Konkurrenz machen kann. LTW, wie Lisa gern in Insider-Kreisen abgekürzt wird, trägt nahezu ausnahmslos Statement-Schmuck und Regenbogenfarben: Um ihren Hals baumeln durchaus schon einmal eine Kette aus Raffia-Bällen in der Größe von Tennisbällen, am Finger ein Ring in der Größe eines Golfballs und am Arm ein halbes Dutzend Armreifen von jeweils fünf Zentimeter Breite. Lisa zeigt uns auch, wie strahlend man von Kopf bis Fuß in Sonnengelb, Türkis und Knallpink aussehen kann. Und dass schwarze Einheitslooks für Beerdigungen reserviert sind.

Nicole Ari Parker als Lisa Todd Wexley in roter Bluse, beim Abendessen in einer Szene aus And Just Like That.
Nicole Ari Parker als Lisa Todd Wexley in And Just Like That.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Überhaupt spielt Farbe im AJLT eine wichtige Rolle. Damit setzt die Serie ein klares Statement gegen unsere inzwischen eintönige, durch Silent-Luxury geprägte Einheitsmode in Schwarz, Grau, Blau, Weiß und Beige. Sogar die im Charakter komplett in die Peinlichkeit mutierte Miranda beweist, dass man zwar in der Freizeit von einem Fashion-Fauxpas in den nächsten schlittern mag, aber wenn es ums Business geht, mit Farben überzeugt. Ihre Büro-Outfits übertreffen sich gegenseitig und versöhnen uns über den Verlust der einst so rationalen, schlagfertigen und coolen Miranda von früher.

Frau in roter Bluse mit Rüschenärmeln und schwarzem Bleistiftrock steht in einem eleganten Department Store.
Charlotte (Kristin Davis) beim Power-Shopping: Klassisch, chanelig, kontrolliert.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Charlotte, Secondhand & der Menopausenbauch

Last, but not least gibt es ja auch noch Charlotte, die Queen der klassischen Mode, der Schleifen, Schluppen und der Spitze. Plus ihre wunderbare Familie, die Goldenblatts. Sie gehören zu den neuen Highlights der Serie und sorgen dafür, dass bei dieser Storyline über Frauen im mizzleren Alter auch aktuelle Trends und Nachhaltigkeits-Diskussionen Platz haben. So wandern dank des Stilwechsels der pubertierenden Goldenblatt-Tochter Lily zum Beispiel Dutzende von Chanel-Kinder-Outfits in den gerade so angesagten Secondhand-Handel.

Zwei Teenager-Mädchen auf einem Sofa, eines in Jeans und Krawatte, das andere in kurzem gemustertem Outfit mit einem Glas Wasser.
Die Goldenblatt-Töchter Rock und Lily verkörpern den Generationenbruch in Sachen Modebewusstsein.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Entrüstet über ihre Tochter will Charlotte ein Kleid retten und schleppt Carrie mit in den Laden, die nahezu Schnappatmung bekommt, weil sie einen Sonia-Rykiel-Vintage-Stiefel entdeckt und nicht glauben kann, dass eine solche Rarität in einem so guten gebrauchten Zustand einfach so in einem Secondhand-Geschäft auf sie gewartet hat. In einer kurzen, aber wichtigen Szene sieht man die andere Goldenblatt-Tochter Rock beim Falten von Shein-Paketen, geordert von ihrer Schwester Lily. Letztere bekommt sofort die Leviten gelesen, dass der Kauf von Ultra-Fast-Fashion den Planeten zerstört.

Wunderbar ist auch die Folge, bei der Charlotte ihr Outfit für den Wiedereinstieg ins Berufsleben auswählt und feststellt, dass der Menopausenbauch das ganze Styling vernichtet. Zwei Miederhöschen übereinander, heute Shapewear genannt, sollen Abhilfe schaffen. Das tun sie auch, aber nur für kurze Zeit. Als Charlotte ihrer äußerst kurvenreichen Chefin begegnet, relativiert sich alles, die Body-Positivity gewinnt und die Shapewear wandert in den Mülleimer auf der Toilette.

Frau in transparentem, cremefarbenem farbenem Mantel und Tüllkleid mit aufgenähten Blumen steigt eine Treppe in einer cremefarbenen Villa hinauf.
Organza, Romantik, Nostalgie: Carrie in einem ihrer ikonischen Looks der Staffel.Foto: Craig Blankenhorn/Max

Alltagsrealität mit Vintage-Zauber

Es sind diese wenigen Momente, bei denen der Content stimmt und die Serie in der Alltagsrealität ankommt. Von diesen Szenen könnte es meiner Meinung nach gern mehr geben. Ansonsten freue mich weiter über neue verrückte Outfits, dass alte Kleider, wie das Vivienne-Westwood-Hochzeitskleid von Carrie eine zweite Chance beim Besuch der MET-Gala bekommen, und dass es ein Wiedersehen gibt mit alten SATC-Looks und Vintage-Teilen vergessener Designer wie Ossie Clark, Calvin Klein, Pierre Cardin oder Byblos. „And just like That…“ werde ich einfach weitergucken.

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