Dienstag, 5. November 2024
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Magazin für modernes Leben
Ein Fünf-Sekunden-Film, der im Zeitraffer die Entstehung einer Manschettenuhr aus Gold und grünen Smaragden zeigt. Video: Piaget
Das Haus Piaget feiert seinen 150. Geburtstag

Der Juwelier unter den Feinuhrmachern

Wäre Georges-Édouard Piaget 1874 in eine Zeitmaschine gestiegen und im Jahr 2024 in einem Workshop für agile Arbeitsmethoden gelandet, er wäre sofort zurückgereist.
Video: Piaget


Der postmoderne Ansatz, ein halbfertiges Produkt zu launchen und erst nach dem Kundenfeedback zu optimieren, steht im diametralen Gegensatz zur Maxime des 1855 geborenen Uhrmachers Georges-Édouard Piaget: „Es stets besser machen als nötig“. Mit dieser Philosophie haben er und seine Nachfahren es weit gebracht – das Haus Piaget feiert gerade seinen 150. Geburtstag und brilliert stärker denn je.

Begonnen hat alles in dem kleinen Bergdorf La Côte-aux-Fées im Schweizer Jura. Dort gründete Georges-Édouard Piaget, 19-jähriger Spross einer Uhrmacherfamilie, im Jahr 1874 sein Atelier, um hochpräzise Uhrwerke zu bauen, die den Grundstein für die Kreation aller Uhren der Manufaktur – heute sagt man Maison – legen sollten. Seine Laufwerke zeichneten sich von Anfang an durch außergewöhnliche Qualität und Genauigkeit aus.

Ein Bild, das eine opulent besetzte Manschettenuhr aus Gelbgold mit Diamanten und 40 grünen Smaragden im rechteckigen Baguette-Schliff sowie grünem Emaille-Zifferblatt zeigt.
Für dieses Unikat einer High-Jewellery-Manschettenuhr wurden 200 Elemente in 18 Karat Gold von Hand angefertigt, zusammengefügt und mit zu Kordeln gedrehten Goldfäden verflochten. In das Mosaik sind Diamanten sowie 40 Smaragde im Baguette-Schliff eingefasst, insgesamt 26,11 Karat, die im Haute-Couture-Stil auf verschiedenen Ebenen angeordnet sind und teils seitlich aus dem Schmuckstück herausragen. Hinter dem Zifferblatt aus grüner Emaille verbirgt sich – wie bei High-Jewellery-Uhren üblich – ein Quarzwerk.Foto: Piaget

Yves Piaget bei der Eröffnung einer Ausstellung in Monte-Carlo. Das Video zeigt im Zeitraffer den Aufstieg des Hauses Piaget zur Haute-Joaillerie-Manufaktur. Zu sehen sind Meilensteine seiner spektakulären Uhren- und Schmuck-Kreationen sowie Stars und Freunde der Marke wie Jackie Kennedy, Ursula Andress, Roger Moore, Andy Warhol und Salvador Dalí. Der Film endet mit ein paar Worten des Präsidenten Yves Piaget, die auf die Marke heute so zutreffen wie zu der Zeit, als sie gesprochen wurden. Video: Piaget

Von Weltrekord zu Weltrekord

Das Savoir-faire des Hauses perfektionierte sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mit der Expertise und den technischen Möglichkeiten der nachfolgenden Generationen. In den 1930er-Jahren übernahmen Georges-Édouards Enkel Gérald und Valentin die Geschäfte bei Piaget. Letzterer, verantwortlich für die Produktion und das Design der Uhren, war die treibende Kraft bei der Entwicklung des ultraflachen Uhrwerks, einer Innovation, die den Weg für alle nachfolgenden Errungenschaften der Manufaktur ebnete. Das Kaliber „9P“, ein hochpräzises mechanisches Uhrwerk mit Handaufzug, das nur zwei Millimeter hoch war, wurde 1957 vorgestellt. 1960 folgte das „12P“, in dem sich die damalige Begeisterung für die Entwicklung von Automatikwerken widerspiegelte. Es war mit einer Bauhöhe von lediglich 2,3 Millimetern das flachste Automatikwerk der Welt. Diese Erfindungen revolutionierten nicht nur das Kaliber im Inneren der Uhr, sondern befreiten auch Gehäuse und Zifferblatt von technischen Zwängen und Größenbeschränkungen.

Ein Bild, das eine nachtblaue, ultraflache mechanische Uhr mit einem sichtbaren Tourbillonwerk von vorn und von der Seite zeigt, sodass man ihre Höhe von nur zwei Millimetern sehen kann.
Zu seinem 150. Geburtstag präsentierte Piaget nach sechsjähriger Entwicklung einen weiteren technischen Meilenstein in der Feinuhrmacherei und neuen Weltrekord: In der „Altiplano Ultimate Concept Tourbillon“ arbeitet das flachste Werk der Welt mit einem Tourbillon, einer besonderen Komplikation. Das nachtblaue Wunder ist limitiert auf 15 Exemplare und dürfte längst ausverkauft sein. Bei einem Preis von rund 600.000 Euro.Fotos: Piaget

Kreativität und Wagemut

Doch Valentin Piaget ging noch weiter: Er verlieh der Marke Piaget ihren Ruf als „Juwelier der Uhrmacherei“, indem er Ende der 1960er-Jahre Piagets eigenes Kreativstudio gründete und eine spektakuläre Kollektion von Manschetten-Uhren schuf, die mit jeder neuen Kreation mutiger wurden. Und er wagte als einer der ersten, extrem harte Materialien als Zifferblätter einzusetzen. Valentin brachte Edelsteine wie Onyx, Jade, Opal, Lapislazuli, Türkis und Tigerauge in die Uhrenfertigung ein und ließ teilweise mehr als dreißig verschiedene Steine in einem einzigen Schmuckstück verarbeiten.

Ein Bild, das einen Ausschnitt von einer Frauentaille von hinten, mit einem in die Taille gestützten Arm mit einer Manschettenuhr aus Roségold mit einem Zifferblatt aus einem blau-grünen Black Opal.
Die aus 18-karätigen filigranen Roségoldfäden gewebte Manschettenuhr hat ein Zifferblatt aus einem blau-grünen Black Opal.Foto: Ben Hassett

So geschmeidig wie Stoff

Angetrieben vom kreativen Kopf der Maison schufen die Kunsthandwerker der Manufaktur eine vollkommen neue Art von Schmuckuhren mit einer avantgardistischen Handschrift: wie Stoff strukturiertes Edelmetall in Kombination mit Schmucksteinen, deren leuchtende Farben die Manschettenuhren und Sautoirs – Uhren, die an einer langen Kette um den Hals getragen werden –, zum Strahlen brachten.

Ein Bild, das eine junge Frau mit langen blonden Haaren und einem schwarzen Oberteil zeigt. Model Ella Rose Richards, Enkelin von Rolling Stone Keith Richards, trägt einen „Swinging Sautoir“. Für die lange Halskette wurden die Goldfäden von Hand zur Kordel gedreht und einzelne Stränge zu fließenden Gliedern geformt, um mit dem Zeitmesser verankert zu werden. Die Uhr selbst liegt in einem sanft abgerundeten Trapezgehäuse.
Model Ella Rose Richards ist das Kampagnengesicht im Jubiläumsjahr von Piaget. Die Enkelin von Rolling Stone Keith Richards trägt einen „Swinging Sautoir“. Für die Halskette wurden die Goldfäden von Hand zur Kordel gedreht und einzelne Stränge zu fließenden Gliedern geformt, um mit dem Zeitmesser verankert zu werden. Die Uhr selbst liegt in einem neuen, sanft abgerundeten Trapezgehäuse, das an die Form der Gehäuse der Originalkollektion von 1969 angelehnt ist. Foto: Ben Hassett

Eine eigene Dekortechnik

Für noch mehr Exklusivität entwickelte Piaget seine eigene „Décor-Palace“-Technik. Traditionell vertraut mit der Handwerkskunst des Guilloché, einer Gravurtechnik, die in der Feinuhrmacherei seit Jahrhunderten zur Veredelung von Zifferblättern verwendet wird, führte das Atelier diese Dekoration über die Grenzen des Zifferblatts hinaus. Es begann, seine eng gewebten Goldarmbänder zu gravieren, um reiche, dicht strukturierte Ornamente zu erzeugen, die die Muster der Natur, wie Rinde, Fell oder Frost imitieren.

Valentin Piaget beauftragte Designer, die eher aus dem Schmuckbereich als aus der Uhrmacherei stammten, etwas noch nie Dagewesenes zu kreieren. Er ermutigte sie, nach Paris zu reisen und sich von den neuesten Couture-Modenschauen inspirieren zu lassen. Die Designer zeichneten ihre Entwürfe direkt auf die Fotoseiten von Modemagazinen, um das Streben nach Freiheit und Modernität aufzugreifen, das die Welt in den Sixties und Seventies prägte.

Eine Bild, das eine Frau mit einem sportlichen Blouson und einer Armbanduhr zusammen mit einem Mann im Freizeit-Outfit zeigt.
Ursula Andress in Begleitung von Yves Piaget 1983 in West Palm Beach. Die Schauspielerin, die als erstes Bondgirl überhaupt in die Filmgeschichte einging, trägt am Arm die nicht minder legendäre „Polo“ von Piaget.Foto: Christian Coigny
Ein Bild, das eine Nahaufnahme von einem Männerhandgelenk mit einer eckigen Golduhr und einem Frauenhandgelenk mit einer runden Golduhr zeigt.
Anzeigenmotiv von 1983 für die aktuellen Damen- und Herrenmodelle der 1979 vorgestellten „Polo“.Foto: Piaget
Das Bild zeigt eine massiv goldene Uhr mit goldenen Zeigern, fotografiert vor goldfarbenem Hintergrund.
45 Jahre nach ihrer Erfindung startete Piaget mit einem Comeback der „Polo“ ins Jubiläumsjahr. Die neue limitierte „Polo 79“ greift das Originaldesign auf, dem Zeitgeist entsprechend wurde das Quarzwerk durch das ultraflache Automatikkaliber 1200P1 ersetzt, das durch den Glasboden des 38-Millimeter-Gehäuses in 18 Karat Gold bewundert werden kann.Foto: Piaget
Ein Bild, das eine Nahaufnahme von einem Männerhandgelenk mit einer eckigen Golduhr und einem Frauenhandgelenk mit einer runden Golduhr zeigt.
Anlässlich des Jubiläums kreierte die Manufaktur ein zeitgenössisches Duo der Piaget „Polo Date“ in Stahl, das auf jeweils 300 Exemplare limitiert ist. Zum einen ein Modell in 42 Millimeter mit braunem Kautschukarmband, zum anderen eine mit 91 Diamanten im Brillantschliff besetzte Version in 36 Millimeter mit beigefarbenem Kautschukarmband.Foto: Piaget

Von Los Angeles bis Tokio

Piaget wurde zum Darling des internationalen Jetsets und in Hollywood, nicht nur für seine Schmuckuhren, sondern auch für die opulenten Juwelen, die das Atelier kreierte. Liz Taylor, die sich von ihren zahlreichen Ehegatten gern mit ausgefallenen Preziosen beschenken ließ, war ein großer Fan, ebenso wie Jackie Kennedy, Ursula Andress, Alain Delon und Roger Moore. Unter dem Namen Piaget Society fanden – und finden – rauschende Feste statt, die oft sämtliche Protagonisten des legendären Studio 54 vereinten, und heute die Welt der Stars von Los Angeles bis Tokio.

Von Andy Warhol ist bekannt, dass er ab 1973 Piaget-Uhren sammelte und mindestens zehn Exemplare besaß. Ab 1979 pflegte er eine enge Freundschaft zu Yves Piaget, dem Sohn von Gérald und späteren langjährigen Präsidenten der Marke. Die seither legendäre „Warhol Uhr“ ist bis heute eine Ikone der Maison, die seit 1988 unter dem Dach des Luxusgüterkonzerns Richemont zu Hause ist.

Ein Bild, das drei Uhren in derselben Tonneau-Form zeigt, wie sie Andy Warhol trug.
Links die Uhr, die Andy Warhol ab 1973 selbst am Handgelenk trug, mit goldenem Gehäuse und dem damals entwickelten Quarzwerk „Beta 21“. In der Mitte die zum Jubiläum gelaunchte „Black Tie Vintage“ mit einem Zifferblatt aus versteinertem Holz, eingerahmt von einer Lünette mit drei Reihen Smaragden im Baguetteschliff und natürlich Automatikwerk. Ebenfalls mit Automatikaufzug, rechts das Modell mit roségoldenem Gehäuse aus der Black-Tie-Vintage Kollektion 2024.Foto: Piaget

Inspiration statt Reproduktion

Im Jubiläumsjahr 2024 knüpft Piaget mit einer Hommage an das kreative goldene Zeitalter der Maison in den 1960ern und 1970ern an. Die historischen Stücke sollten dabei nicht reproduziert werden, vielmehr sollen die neuen Uhren- und Schmuckkreationen aus den Piaget High Jewellery Ateliers in Genf inspiriert von der Vergangenheit sein, Originalität und Eleganz beibehalten und gleichzeitig den Schritt in die Moderne gehen – wie seit 150 Jahren unter der Losung, es stets besser zu machen als nötig.

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