Sonntag, 20. April 2025
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55 mal 71 Zentimeter großes Ölgemälde: Zwei Frauen und ein Mann in Kleidung des frühen 19. Jahrhunderts sitzen in der Abenddämmerung auf einem großen Felsen und blicken auf das Meer, über dem gerade der Mond aufgeht, zwei Schiffe sind in der Nähe und am Horizont zu sehen. Bild: Alte Nationalgalerie Berlin
Caspar David Friedrich im Met-Museum

Showdown in Übersee

Mit „The Soul of Nature” bringt Caspar David Friedrich zum Abschluss seiner Tournee zum 250. Geburtstag bis Mitte Mai romantische Ideale nach New York.
Bild: Alte Nationalgalerie Berlin

Der 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich (1774–1840) verzeichnete 2024 sensationelle Besuchererfolge in Hamburg, Berlin und Dresden. Nun haben die Werke des deutschen Romantikers, der selbst kaum weit gereist ist, den Atlantik überquert und werden erstmals in einer umfassenden Ausstellung in den Vereinigten Staaten gezeigt. „Caspar David Friedrich: The Soul of Nature“ ist bis zum 11. Mai im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen. Es sind Leihgaben der Kunsthalle Hamburg, der Alten Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin sowie der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die weltweit die umfangreichsten Sammlungen von Friedrichs Werk beherbergen, neben weiteren Leihgaben von mehr als 30 öffentlichen Institutionen und Privatsammlungen in Europa und Nordamerika.

Nun soll der vielleicht bekannteste Maler Deutschlands auch einem internationalen Publikum bekannt gemacht werden. Doch wer war dieser Künstler, dessen Werk in Wellen immer wieder große Aufmerksamkeit erregt und dann wieder in der Versenkung zu verschwinden scheint? Caspar David Friedrich selbst wäre es vermutlich unangenehm gewesen, wenn man sein Augenmerk zuerst auf ihn richtet, ehe man seine Gemälde, Sepiazeichnungen, Studien und Skizzen studiert. Denn es gehörte wohl zu seiner Persönlichkeit, dass er hinter seinem Werk zurücktrat.

Die etwa 23 mal 18 Zentimeter große Zeichnung zeigt ein Selbstportrait Caspar David Friedrichs mit einem langen Bart, der Blick zum Betrachter gerichtet.
Caspar David Friedrich Selbstbildnis, um 1810, schwarze Kreide auf Büttenpapier, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett.Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Jörg P. Anders

Harte Schale, weicher Kern

Wir wissen ziemlich genau, wie er aussah. Nicht nur von seinen Selbstbildnissen, sondern auch von Darstellungen anderer Künstler und auch aus Schilderungen und Briefen seiner Zeitgenossen. So beschrieb ihn die Malerin und Schriftstellerin Louise Seidler, die sich bei einem Freund von Friedrich im Malen und Zeichnen unterrichten ließ, folgendermaßen: „In der Erscheinung glich Friedrich mit seinem aschblonden Haar und Bart, blassen Augen und kräftigem, ausdruckvollem Gesicht ganz einem alten Germanen; sein schönes, reines, frommes, kindliches Gemüt, die fast weibliche Zartheit seiner unaffektiert-sentimentalen Seele stand freilich im wunderlichen Widerspruch mit seinem derben Backenbart ...“

Auch andere Zeitgenossen beschrieben die Diskrepanz einer burschikosen Erscheinung und der Sensibilität seines Gemütes. Er schien menschenscheu gewesen zu sein und zog sich gern in sein karges Atelier zurück, um die gesammelten Eindrücke aus der Natur, die er in langen Wanderungen schon fast penibel beobachtet und skizziert hat, im Bild zu verarbeiten.

Die äußerste Genauigkeit der Erfassung der Natur bildete die Grundlage für Friedrichs künstlerisches Schaffen, und seine Konzentration und Hingabe an das Detail sind in jedem seiner Werke spürbar. Die Landschaft bei Caspar David Friedrich ist nicht die detailgetreue Abbildung der Natur, sondern vielmehr eine atmosphärische Darstellung einer Stimmung, die er mit herausragenden handwerklichen Fertigkeiten erzeugte. Geografisch sind seine Bilder in der Gesamtheit nicht nachvollziehbar, Puzzleteilen gleich setzt er verschiedene Landschaften zusammen und thematisiert, ganz im Sinne der Romantik, die ewigen Themen: Glaube, Einsamkeit und Gemeinschaft, Lauf der Zeit und Sterblichkeit.

Ölgemälde mit einem Mann im schwarzen Gehrock, von hinten, auf einem Felsen, der auf eine gebirgige Landschaft blickt, die aus einem Wolkenmeer auftaucht.
Caspar David Friedrich, „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, um 1817, Öl auf Leinwand, Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen, Hamburger Kunsthalle.Foto: Hamburger Kunsthalle / Elke Walford

Zwiegespräch mit dem Göttlichen

Das Bild „Der Wanderer über dem Nebelmeer“, das neben den „Kreidefelsen auf Rügen“ und dem „Mönch am Meer“ zu Friedrichs bekanntesten Werken zählt, war nach seinem Tod jahrzehntelang verschollen und tauchte erst Ende der 1930er-Jahre bei einem Kunsthändler in Berlin wieder auf und hängt heute als Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen in der Hamburger Kunsthalle.

Der Wanderer steht über den Wolken mit dem Rücken zum Betrachter. Er schaut nicht nach oben in den Himmel, denn der liegt ihm sozusagen zu Füßen. Auf dem Gipfel scheint der Wanderer möglicherweise mit sich selbst oder mit Gott zu sprechen. In Gedanken versunken trifft er auf Gott und kommt sich selbst somit näher – das ist das christliche Verständnis von Caspar David Friedrich, er sagt dazu: „Ich muss allein bleiben und wissen, dass ich allein bin, um die Natur vollständig zu schauen und zu fühlen. Ich muss mich dem hingeben, was mich umgibt, mich vereinigen mit meinen Wolken und Felsen, um das zu sein, was ich bin.“

Das etwa 172 mal 110 Zentimeter große Ölgemälde zeigt einen riesigen Nachthimmel, darunter das schwarzblaue Meer, ein heller Strand und die winzige Figur eines Mönches.
Caspar David Friedrich, „Mönch am Meer”, 1808–1810, Öl auf Leinwand, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin.Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Andres Kilger

Ehrfurcht und Ergriffenheit

Die Natur scheint innezuhalten, wenn Friedrich sie malt, auch die Menschen in den Bildern scheinen zu schweigen, alles führt hin zur Andacht, Ergriffenheit und dem Wundern über die Erhabenheit der Natur. Der Mensch, in diesem Fall ein Mönch, erscheint klein und sprachlos im Anblick des Meeres und des gewaltigen Himmels. Er definiert hier die Beziehung zwischen dem Menschen und der Natur für seine Zeit radikal neu.

Das etwa 31 mal 22 Zentimeter große Ölbild zeigt die Rückenansicht einer Frau im langen Kleid, sie steht mit nach unten ausgebreiteten Armen zwischen Felsen und Gräsern auf einem Weg, auf der mittleren Bildebene sieht man eine hügelige Wiese in verschiedenen Grüntönen, und im Hintergrund die Silhouetten flacher Berge vor einem in Abendrot getauchten Himmel.
Caspar David Friedrich, „Frau vor der untergehenden Sonne“ 1818–1824. Öl auf Leinwand, Museum Folkwang, Essen.Bild: Museum Folkwang

Von der Romantik zur Resonanz im Jetzt

Die umfangreiche Auswahl an Zeichnungen auf Papier, die das Met-Museum aus amerikanischen und internationalen Sammlungen zeigt, veranschaulicht Friedrichs zeichnerisches Talent. Dies gewährt dem amerikanischen Publikum einen neuen Einblick in den künstlerischen Prozess. Gemälde und Zeichnungen werden in Beziehung zueinander gesetzt und lassen so erkennen, wie sich das Bildinteresse des Künstlers in unterschiedlichen Medien sowohl fortsetzt als auch verändert und wie verschiedene Materialien und Techniken neue Möglichkeiten der formalen und inhaltlichen Gestaltung hervorbringen.

„Die Bildsprache, die Friedrich und seine Mitromantiker entwickelten, um ihre Verbundenheit mit der Natur auszudrücken, ist tief in die Art und Weise eingebettet, wie wir die Welt sehen und darstellen, sowohl in der Kunst als auch in der visuellen Populärkultur“, sagt Co-Kuratorin Joanna Sheers Seidenstein, Assistant Curator, Department of Drawings and Prints, The Met. „Wir laden das Publikum ein, Friedrichs Landschaften so zu erkunden, wie sie zur Zeit des Künstlers verstanden worden wären, und über ihre Resonanz heute nachzudenken, wo die Umwelt an der Spitze des kulturellen und politischen Diskurses steht.“

Weitere Infos:

Caspar David Friedrich „The Soul of Nature“ ist bis zum 11. Mai 2025 im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen.

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