Freitag, 13. Juni 2025
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Magazin für modernes Leben
5 Sportlerinnen von Paris Saint-Germain in Rockstar-Pose und komplett schwarzen Herrenanzügen, mit schwarzen Hemden und schwarzen Herrenschuhen. Foto: Gilles-Marie Zimmermann
DER SPORT PRÄGT DEN ZEITGEIST

Liaison athlétique

Wenn Luxuslabels Fußballclubs einkleiden und Couture Trainingsjacken liebt, verschwimmen die Grenzen zwischen Catwalk und Kabine. Was als exklusive Stil-Affäre begann, ist heute ein globaler Trend: Athleisure. Fast-Fashion-Marken liefern die Massenware dazu. Nur bei der Nachhaltigkeit bleibt die Modewelt auffällig unbeweglich: Ob High-End oder High Street – dominiert wird der Look fast immer von Kunstfasern.
Foto: Gilles-Marie Zimmermann

Roger Federer schlägt auf! Nein, nicht mit einem Ball, den hat der Tennisprofi 2022 zusammen mit dem Schläger niedergelegt. Sondern jetzt mit einer Sportmode-Kollektion für Uniqlo. Die neue Kapsellinie des japanischen Bekleidungsunternehmens wurde im Mai in Paris vorgestellt und ist nur ein Beispiel von vielen, wie sich die Modebranche gerade im Sport engagiert.

Collage aus 4 Bildern, links ein blaues Sweatshirt, daneben Roger Federer beim Tennisspielen, daneben Roger Federer mit Claire Waight Keller bei der Präsentation der Kollektion, rechts ein Outfit aus weißem Polohemd und blauer Jogginghose an einer Puppe.
Roger Federer und Designerin Claire Waight Keller im Mai 2025 bei der Vorstellung der Uniqlo-Kollektion in Paris.Fotos: Barbara Markert

So stieg der Pariser Luxuskonzern LVMH im Oktober 2024 zusammen mit Red Bull beim französischen Zweitligisten Paris FC als Investor ein, die komplette Übernahme ist für 2027 geplant. Die Florentiner Menswear-Leitmesse Pitti Uomo installierte in diesem Jahr zum ersten Mal in ihrer mehr als 50-jährigen Geschichte eine Sport-Abteilung auf der ansonsten für die männliche Eleganz gerühmten Schau. Die Abteilung soll kein One Shot bleiben und bei der kommenden Edition im Juni weitergeführt werden.

Run auf die Clubs

Marc O‘Polo hat angekündigt, die DFB-Frauen zur nächsten Europameisterschaft auszustatten. Auch Fast-Fashion-Giganten wie H&M, Zara, Primark und Shein lancieren Sportkollektionen, bei einigen sogar unter einer eigenen Untermarke wie „Zara Athleticz“ oder „H&M Move.“

Die Beispiele zeigen, dass die Segmente Sport und Mode derzeit so eng kooperieren wie noch nie. Wie kommt’s? Warum gerade jetzt? Und ist das neu?

Model im Profil mit Tennisschläger, schwarzem Tennisrock und weißem Bustier.
Tennis-Outfit aus der Resort-Kollektion von H&M Move für den Sommer 2025.Foto: H&M Move
Ockerfarbene Wildleder-Sneaker auf einem Präsentationsblock, im Hintergrund dunkle Silhouetten von Messegästen.
Die Pitti Uomo in Florenz, internationale Leitmesse der eleganten Herrenmode und feinen Schneiderkunst, präsentierte 2025 erstmals eine eigene Abteilung für Sportmode. Fotos: AKAstudio-collective

Sport & Mode – en vogue seit mehr als 100 Jahren

Ein Blick in die Mode-Historie genügt, um zu sehen, dass Sport und Fashion schon immer gern Hand in Hand gingen. Coco Chanel eröffnete bereits 1913 eine Sportabteilung in ihrem Stammhaus in Deauville. Auch Jean Patou und Jeanne Lanvin entwarfen eigene Sportkollektionen. Sie alle nutzten Jersey, ein Material aus dem Rugbysport.

Anschnitt einer Schneiderpuppe in einem weißen Ausstellungsraum, sie trägt einen sportlichen schwarzen Blouson mit breiten Schultern, großen Knöpfen und engem Taillenbund.
Athleisure at it’s best: Blouson von Hubert de Givenchy für Schiaparelli, kreiert 1951 für die Kollektion „Schiap-Sport“ des legendären Couturehauses. Das Modell wurde seinerzeit gern kopiert. Von anderen großen Couturehäusern, für ihre Sportkollektionen.Foto: Barbara Markert

In den Jahrzehnten danach verwoben sich die beiden Segmente immer mehr: Elasthan, ein elastischer Faden, dessen Karriere unter anderem in Jane Fondas Aerobic-Outfits startete, wird heute fast schon standardmäßig in Jeans und Hemden verarbeitet. Über den Siegeszug des Polyesters, einem Material der Sportswear, und seine (durchaus problematische) Übermachtstellung in der heutigen Alltagsbekleidung, brauchen wir gar nicht zusprechen.

Aus Aerobic-Outfits wurde Athleisure

Wir alle tragen heute Sneaker, nicht unbedingt zum Sport, sondern weil sie bequem sind und gut aussehen. Das Gleiche gilt für Jogpants, einen Hybrid aus Stoffhose und Jogginghose, mit bequemem Gummibund an der Taille. Und spätestens seit der Pandemie ist es völlig normal, in Yoga-Outfits oder Trainingshosen auf die Straße zu gehen. Dieser Look hat längst auch seine eigene Segmentbezeichnung: Athleisure-Wear.

Weißer Sneaker mit dunkelgrünen Details auf einem hellgrünen Messepodest vor grünem Hintergrund. An der Seite hat der Sneaker einen goldfarbenen Schriftzug „Louis Vuitton“.
Sneaker von Virgil Abloh für Louis Vuitton.Foto: Barbara Markert

Es ist also schon ziemlich viel zusammengewachsen. Dennoch scheint in die Sport-Fashion-Kombination seit einiger Zeit neuer Schwung gekommen zu sein – vor allem im Luxus-Bereich. Ganz aktuell arbeitet Balenciaga mit Manchester United zusammen, die französische Modeschöpferin Barbara Bui entwirft eine Kollektion für die Frauen-Mannschaft von PSG, Dior stattet die Herren des gleichen Fußballclubs aus, Gucci kümmert sich um Juventus Turin, Prada kleidete zum FIFA-Worldcup die chinesische Damen-Fußball-Mannschaft ein.

Woher kommt das Fußball-Faible?

Nicht zu vergessen – wie eingangs erwähnt – kauft LVMH gleich einen ganzen Club. Auffällig ist, dass sich alle diese Kooperationen um den Massensport Fußball ranken, ein Mega-Business mit einem geschätzten Jahresumsatz von bald 40 Milliarden US-Dollar.

5 Sportlerinnen von Paris Saint-Germain in Rockstar-Pose und komplett schwarzen Herrenanzügen, mit schwarzen Hemden und schwarzen Herrenschuhen.
Barbara Bui über ihre rockige Kollektion für die Spielerinnen des PSG: „Wir haben ein ganzes Messverfahren entwickelt, um unsere Entwürfe an ihre Morphologie anzupassen. Mein Designstudio hat zusammen mit den Modellmachern intensiv daran gearbeitet, dass die Passform perfekt ist – wie bei einer Maßanfertigung.“Foto: Gilles-Marie Zimmermann

Hat es die Luxusindustrie in Zeiten stagnierender Absatzzahlen und sinkender Gewinne wirklich nötig, sich mit genau diesem Sport zu verbinden, um den sie früher einen großen Bogen machte? Fußball galt lange Zeit für dieses Genre der Modebranche als nicht schick genug. Reiten, Segeln, Golf und Ski – das waren die üblichen Spielwiesen des High-End-Segments, nun aber wendet sich der Luxus also dem gemeinen Volk zu.

Wettkampf um die Aufmerksamkeit

Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Experten sehen darin eine klar kalkulierte Strategie. Matt Powell, Berater bei der amerikanischen Einzelhandels-Consulting-Firma Spurwink River, meint: „Dieser Sport erhält sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien und seitens der Verbraucher. Dieses Interesse versuchen Marken zu nutzen, um ihre Brand breiter bekannt zu machen.“ Der Zweck ist, die Zielgruppe zu erweitern, unter anderem bei der begehrten jungen Generation Gen Z.

Laufstegfoto von einem Mann in grauer Sweathose mit XXL-Pullunder in Fußballoptik.
„Soccer sells“ könnte man sagen: Oversize-Pullunder von Moschino für die Frühjahr-Sommerkollektion 2025.Foto: Catwalkpictures

Eric Biones, Geschäftsführer des französischen „Journal du Luxe“, wird noch detaillierter in seiner Analyse: „Sportveranstaltungen sind heute eine kulturelle Bewegung. Teil einer solchen Bewegung zu sein, zahlt sich aus: Die damit verknüpften Produkte werden aufgewertet. Außerdem können ganz andere Botschafter gewonnen werden.“

Die neuen Stilikonen heißen Ronaldo, Messi, Mbappé

Das ist nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere Fußballstars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Neymar Jr. oder Kylian Mbappé vereinen Millionen von Fans und Followern. Zudem gelten sie als Stilikonen, die von Kopf bis Fuß in Luxuskleidern stecken und sich daher perfekt als authentische Botschafter für Gucci, Prada et cetera eignen.

Dass sich LVMH als Hauptsponsor der Olympischen Spiele in Paris engagierte, ist in diesem Zusammenhang als besonders schlauer Coup zu werten: Neben Millionen-Investitionen lieferte LVMH Outfits, Medaillen und die dazugehörigen Schatullen. Die Mode- und Schmuckhäuser des Konzerns wie Dior, Berluti, Chaumet uns so weiter waren nicht nur omnipräsent, sondern auch in einer Pole-Position, um sich die besten Sportler exklusiv als Rolemodels zu sichern. So verpflichtete Louis Vuitton noch während der Spiele den Paris-2024-Super-Star, den vierfachen Schwimm-Olympiasieger Léon Marchand, als neuen Sympathie-bringenden Botschafter.

Die Tennisspielerin Venus Williams bei der MET-Gala im Mai 2025 in einem Outfit von Lacoste: Tennisrock und Poloshirt mit strassbesetztem Kranken und Knopfleiste in Roland-Garros-Grün, darüber ein bodenlanger offener Mantel, Revers und Ärmel bestickt mit Tausenden Metallstückchen und Perlen.
Spektakulärer Auftritt: Venus Williams bei der MET-Gala 2025 in einem Haute-Couture-Tennis-Outfit von Lacoste. Zum Body mit Strassbesatz trägt sie einen plissierten Rock, vorne kurz und hinten lang, aus 30 Meter Stoff. Der Mantel im Bademantelstil ist an den Ärmeln und am Kragen mit 10.000 reflektierenden Metallstücken, 18.000 Perlen, 54.000 Pailletten und 36.000 Mikroröhrchen bestickt. Foto: Evan Agostini/Invision/AP/dpa

Spannend ist auch, was gerade beim anderen Volkssport, dem Joggen, passiert. Aus dem sonntäglichen Laufen ist ein Hype geworden, der sich nun neudeutsch „Running“ nennt. Die Pandemie hat großen Anteil an diesem Erfolg. In vielen Ländern erlaubten die Ausgeh-Restriktionen nur noch Joggen als sportliche Betätigung. Dadurch wuchs die Zahl der aktiven Läufer sprunghaft an. Schon während des Lockdowns verabredeten sich viele zum gemeinsamen Joggen – der sozialen Kontakte wegen. Heute gibt es in fast allen großen Städten sogenannte Running-Clubs. In der Folge erleben auch Marathons einen Zulauf wie nie zuvor. Das Spektakel um die Lauf-Events wird immer größer, vor allem in New York ist der Marathon zu einer Mega-Show angewachsen, mit Flagship-Store-Eröffnungen, Pop-ups für die Präsentationen neuer Collabs, Shop-Events und exklusiven Lancierungen limitierter Serien.

Model auf dem Laufsteg mit Blouson und Shorts im Boxer-Style in schwarz-Weiß, mit Rallyestreifen an der Hosenseite.
Ein sportiver Vorschlag von Dior für den Sommer 2025.Foto: Catwalkpictures

Der New Yorker Journalist Tayler Willson beschreibt seine Eindrücke dem Branchenblatt Business of Fashion: „Der echte Marathon ist inzwischen der unwichtigste Teil der Veranstaltung. Das Event zieht Influencer an und stylische Kids in teuren Sportklamotten, die mehrere hundert Dollar kosten. Die meisten hegen keinerlei Absicht, darin Sport zu treiben.“ Dennoch warnt der Experte, dass ein einfaches Aufspringen auf diesen Trend nicht ohne Risiken ist: „Marken ohne echte Authentizität, die einfach beim Hype mitmischen wollen, laufen Gefahr, boykottiert zu werden.“

Auch das ist keineswegs neu. Wir erinnern uns an Ski und Snowboards von Chanel, es gibt Hanteln von Hermès oder einen Basketball von Prada. Nicht zu vergessen die neuen Sport-Sortimente der Fast-Fashion-Anbieter. Würde ein passionierter Golfer wirklich in einem H&M-Golfoutfit auf den Platz gehen? Ein Marathonläufer in Zara-Sneakern antreten? Oder ein Basketballer mit einem Prada-Ball dribbeln? Wohl eher nicht.

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