
Liaison athlétique
Roger Federer schlägt auf! Nein, nicht mit einem Ball, den hat der Tennisprofi 2022 zusammen mit dem Schläger niedergelegt. Sondern jetzt mit einer Sportmode-Kollektion für Uniqlo. Die neue Kapsellinie des japanischen Bekleidungsunternehmens wurde im Mai in Paris vorgestellt und ist nur ein Beispiel von vielen, wie sich die Modebranche gerade im Sport engagiert.

So stieg der Pariser Luxuskonzern LVMH im Oktober 2024 zusammen mit Red Bull beim französischen Zweitligisten Paris FC als Investor ein, die komplette Übernahme ist für 2027 geplant. Die Florentiner Menswear-Leitmesse Pitti Uomo installierte in diesem Jahr zum ersten Mal in ihrer mehr als 50-jährigen Geschichte eine Sport-Abteilung auf der ansonsten für die männliche Eleganz gerühmten Schau. Die Abteilung soll kein One Shot bleiben und bei der kommenden Edition im Juni weitergeführt werden.
Run auf die Clubs
Marc O‘Polo hat angekündigt, die DFB-Frauen zur nächsten Europameisterschaft auszustatten. Auch Fast-Fashion-Giganten wie H&M, Zara, Primark und Shein lancieren Sportkollektionen, bei einigen sogar unter einer eigenen Untermarke wie „Zara Athleticz“ oder „H&M Move.“
Die Beispiele zeigen, dass die Segmente Sport und Mode derzeit so eng kooperieren wie noch nie. Wie kommt’s? Warum gerade jetzt? Und ist das neu?


Sport & Mode – en vogue seit mehr als 100 Jahren
Ein Blick in die Mode-Historie genügt, um zu sehen, dass Sport und Fashion schon immer gern Hand in Hand gingen. Coco Chanel eröffnete bereits 1913 eine Sportabteilung in ihrem Stammhaus in Deauville. Auch Jean Patou und Jeanne Lanvin entwarfen eigene Sportkollektionen. Sie alle nutzten Jersey, ein Material aus dem Rugbysport.

In den Jahrzehnten danach verwoben sich die beiden Segmente immer mehr: Elasthan, ein elastischer Faden, dessen Karriere unter anderem in Jane Fondas Aerobic-Outfits startete, wird heute fast schon standardmäßig in Jeans und Hemden verarbeitet. Über den Siegeszug des Polyesters, einem Material der Sportswear, und seine (durchaus problematische) Übermachtstellung in der heutigen Alltagsbekleidung, brauchen wir gar nicht zusprechen.
Aus Aerobic-Outfits wurde Athleisure
Wir alle tragen heute Sneaker, nicht unbedingt zum Sport, sondern weil sie bequem sind und gut aussehen. Das Gleiche gilt für Jogpants, einen Hybrid aus Stoffhose und Jogginghose, mit bequemem Gummibund an der Taille. Und spätestens seit der Pandemie ist es völlig normal, in Yoga-Outfits oder Trainingshosen auf die Straße zu gehen. Dieser Look hat längst auch seine eigene Segmentbezeichnung: Athleisure-Wear.

Es ist also schon ziemlich viel zusammengewachsen. Dennoch scheint in die Sport-Fashion-Kombination seit einiger Zeit neuer Schwung gekommen zu sein – vor allem im Luxus-Bereich. Ganz aktuell arbeitet Balenciaga mit Manchester United zusammen, die französische Modeschöpferin Barbara Bui entwirft eine Kollektion für die Frauen-Mannschaft von PSG, Dior stattet die Herren des gleichen Fußballclubs aus, Gucci kümmert sich um Juventus Turin, Prada kleidete zum FIFA-Worldcup die chinesische Damen-Fußball-Mannschaft ein.
Woher kommt das Fußball-Faible?
Nicht zu vergessen – wie eingangs erwähnt – kauft LVMH gleich einen ganzen Club. Auffällig ist, dass sich alle diese Kooperationen um den Massensport Fußball ranken, ein Mega-Business mit einem geschätzten Jahresumsatz von bald 40 Milliarden US-Dollar.

Hat es die Luxusindustrie in Zeiten stagnierender Absatzzahlen und sinkender Gewinne wirklich nötig, sich mit genau diesem Sport zu verbinden, um den sie früher einen großen Bogen machte? Fußball galt lange Zeit für dieses Genre der Modebranche als nicht schick genug. Reiten, Segeln, Golf und Ski – das waren die üblichen Spielwiesen des High-End-Segments, nun aber wendet sich der Luxus also dem gemeinen Volk zu.
Wettkampf um die Aufmerksamkeit
Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Experten sehen darin eine klar kalkulierte Strategie. Matt Powell, Berater bei der amerikanischen Einzelhandels-Consulting-Firma Spurwink River, meint: „Dieser Sport erhält sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien und seitens der Verbraucher. Dieses Interesse versuchen Marken zu nutzen, um ihre Brand breiter bekannt zu machen.“ Der Zweck ist, die Zielgruppe zu erweitern, unter anderem bei der begehrten jungen Generation Gen Z.

Eric Biones, Geschäftsführer des französischen „Journal du Luxe“, wird noch detaillierter in seiner Analyse: „Sportveranstaltungen sind heute eine kulturelle Bewegung. Teil einer solchen Bewegung zu sein, zahlt sich aus: Die damit verknüpften Produkte werden aufgewertet. Außerdem können ganz andere Botschafter gewonnen werden.“
Die neuen Stilikonen heißen Ronaldo, Messi, Mbappé
Das ist nicht von der Hand zu weisen. Insbesondere Fußballstars wie Cristiano Ronaldo, Lionel Messi, Neymar Jr. oder Kylian Mbappé vereinen Millionen von Fans und Followern. Zudem gelten sie als Stilikonen, die von Kopf bis Fuß in Luxuskleidern stecken und sich daher perfekt als authentische Botschafter für Gucci, Prada et cetera eignen.
Dass sich LVMH als Hauptsponsor der Olympischen Spiele in Paris engagierte, ist in diesem Zusammenhang als besonders schlauer Coup zu werten: Neben Millionen-Investitionen lieferte LVMH Outfits, Medaillen und die dazugehörigen Schatullen. Die Mode- und Schmuckhäuser des Konzerns wie Dior, Berluti, Chaumet uns so weiter waren nicht nur omnipräsent, sondern auch in einer Pole-Position, um sich die besten Sportler exklusiv als Rolemodels zu sichern. So verpflichtete Louis Vuitton noch während der Spiele den Paris-2024-Super-Star, den vierfachen Schwimm-Olympiasieger Léon Marchand, als neuen Sympathie-bringenden Botschafter.

Spannend ist auch, was gerade beim anderen Volkssport, dem Joggen, passiert. Aus dem sonntäglichen Laufen ist ein Hype geworden, der sich nun neudeutsch „Running“ nennt. Die Pandemie hat großen Anteil an diesem Erfolg. In vielen Ländern erlaubten die Ausgeh-Restriktionen nur noch Joggen als sportliche Betätigung. Dadurch wuchs die Zahl der aktiven Läufer sprunghaft an. Schon während des Lockdowns verabredeten sich viele zum gemeinsamen Joggen – der sozialen Kontakte wegen. Heute gibt es in fast allen großen Städten sogenannte Running-Clubs. In der Folge erleben auch Marathons einen Zulauf wie nie zuvor. Das Spektakel um die Lauf-Events wird immer größer, vor allem in New York ist der Marathon zu einer Mega-Show angewachsen, mit Flagship-Store-Eröffnungen, Pop-ups für die Präsentationen neuer Collabs, Shop-Events und exklusiven Lancierungen limitierter Serien.

Der New Yorker Journalist Tayler Willson beschreibt seine Eindrücke dem Branchenblatt Business of Fashion: „Der echte Marathon ist inzwischen der unwichtigste Teil der Veranstaltung. Das Event zieht Influencer an und stylische Kids in teuren Sportklamotten, die mehrere hundert Dollar kosten. Die meisten hegen keinerlei Absicht, darin Sport zu treiben.“ Dennoch warnt der Experte, dass ein einfaches Aufspringen auf diesen Trend nicht ohne Risiken ist: „Marken ohne echte Authentizität, die einfach beim Hype mitmischen wollen, laufen Gefahr, boykottiert zu werden.“
Auch das ist keineswegs neu. Wir erinnern uns an Ski und Snowboards von Chanel, es gibt Hanteln von Hermès oder einen Basketball von Prada. Nicht zu vergessen die neuen Sport-Sortimente der Fast-Fashion-Anbieter. Würde ein passionierter Golfer wirklich in einem H&M-Golfoutfit auf den Platz gehen? Ein Marathonläufer in Zara-Sneakern antreten? Oder ein Basketballer mit einem Prada-Ball dribbeln? Wohl eher nicht.