Sonntag, 20. April 2025
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Video: Jakob Kudsk Steensen / Fondation Beyeler
ZUM TAG DES WALDES 2025

Ode an den borealen Wald

Die Ausstellung „Nordlichter“ in der Fondation Beyeler entführt ihre Gäste in die faszinierende Welt der nordischen Kunst, die von den geheimnisvollen Landschaften und dem einzigartigen Licht des Nordens inspiriert ist. Der Wald spielt darin eine zentrale Rolle.
Video: Jakob Kudsk Steensen / Fondation Beyeler


Der 21. März ist der internationale Tag des Waldes. Er wurde von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Wälder und die Notwendigkeit ihres Schutzes zu stärken. Gehen wir heute also in den Wald und baden im grünen Meer – oder, wenn wir in der Nähe von Basel sind, in die Ausstellung „Nordlichter“ in der Fondation Beyeler.

Themen in der nordischen Kunst

Ein Gemälde, das den Blick durch den nächtlichen borealen Wald auf ein weißes Haus und ein schwarzblaues Meer zeigt.
Harald Sohlberg, Ein Haus an der Küste (Fischerhütte), 1906. Durch die dunklen Baumstämme des nordischen Waldes leuchtet der Ausblick auf das weiße Haus am Meer fast schon als hoffnungsvolles psychologisches Element. Das Gemälde scheint sinnbildlich für den langen, dunklen Winter des Nordens, der von einem Sommer abgelöst wird, in dem es selbst nachts nicht dunkel wird. Die Bedeutung des Lichts oder dessen Fehlen ist ein verbindendes Element der Bilder der Ausstellung. Die Extreme der Jahreszeiten und die Weite der Landschaft mit den endlosen Wäldern sind wiederkehrende Themen in der nordischen Kunst. Öl auf Leinwand, 109 x 94 cm, The Art Institute of Chicago, Schenkung Edward Byron Smith.Foto: bpk/The Art Institute of Chicago/Art Resource, NY

Extreme einer wilden Landschaft

Klirrend kalt ist es auf den Bildern der Künstler aus Skandinavien und Kanada, die die Fondation Beyeler bei Basel bis zum 25. Mai 2025 in der Ausstellung Nordlichter zeigt. Kaltes, ruhiges Wasser in den Seen und Fjorden, die der Blick durch dunkle Birken- und Nadelwälder freigibt. Polarlichter über der schneebedeckten Landschaft, endlose Wälder der Taiga und sonnendurchflutete lange Midsommertage – die 17 Künstlerinnen und Künstler aus Skandinavien, Finnland und Kanada halten die Faszination der Einsamkeit fest.
Die Landschaften sind meist menschenleer, die Zivilisation lediglich zu erahnen. Wie durch die Rauchwolken, die ein Zug auf seinem Weg durch die Wälder hinterlässt. Allen Werken ist das intensive Naturerlebnis zu eigen, die jahreszeitlichen Extreme einer wilden Landschaft.

Ein Gemälde, das eine abstrakte Landschaft mit Bäumen im Vordergrund, eine kaum zu sehenden Zug mit dicken, weißen Rauchwolken hinter sich in der Bildmitte sowie eine große Bucht mit einer Insel im Hintergrund zeigt.
Edvard Munch, Zugrauch, 1900. Auf dem Bild von Edvard Munch fährt ein rauchender Zug durch die Wälder der Küstenlandschaft, kleine Boote dümpeln auf dem Wasser, auf der Insel in der Bucht stehen ein paar Häuser. Der Mensch ist nur indirekt präsent, nämlich durch die Rauchschwaden des Zuges, der die Industrialisierung in starken Kontrast zur Wildheit der Natur setzt. Öl auf Leinwand, 84,5 x 109 cm, Munchmuseet, Oslo.Foto: Munchmuseet/Halvor Bjørngård

Malerinnen und Maler des Nordens

Viele der gezeigten Künstler und Künstlerinnen, deren Werke zwischen 1880 und 1930 entstanden sind, sind in Mitteleuropa unbekannt. Mit Ausnahme des Norwegers Edvard Munch (1863–1944), dem die Fondation Beyeler bereits 2007 eine umfassende Retrospektive widmete, und seiner Zeitgenossin Hilma af Klint (1862–1944). Die schwedische Malerin, die schon vor Kandinsky eine bahnbrechende gegenstandslose Malerei entwickelt hat, wurde erst in den 1980er-Jahren wiederentdeckt.

Ein Gemälde in Erd- und Gelbtönen, das im Vordergrund Das Meer, in der Bildmitte einen Wald und im Hintergrund die aufgehende Sonne in einem blau-gelben Himmel zeigt.
Hilma af Klingt, Sonnenaufgang, 1907. Funkelnd tanzen die Sonnenstrahlen auf dem Wasser, durchleuchten den dichten Tannenwald und erwärmen die Bucht mit ihrer Helligkeit. Die intensive Midsummer-Sonne zeigt ihre zeitlich begrenzte Wirkung und dominiert dennoch mit ihren Reflektionen das impressionistisch wirkende Bild. Kurze Zeit später beginnt die Malerin mit ersten abstrakten Bildern, in denen organische Formen dem Ordnungssinn der Geometrie folgen. Die nur wenig bekannte schwedische Künstlerin entwickelte schon vor Wassily Kandinsky, der als Begründer der abstrakten Malerei gilt, diesen revolutionären Malstil. Öl auf Leinwand, 95 x 60 cm, HaK 37.Foto: Courtesy The Hilma af Klint Foundation
Der boreale Wald in einem Schwung: Ein Gemälde, das schwungvolle Wellen in Gelb- und Braun- sowie vor allem Blau- und Grüntönen zeigt.
Emily Carr, Abstrakte Baumformen, 1931/32. Die kanadische Künstlerin Emily Carr fasst in diesem Bild viele der gezeigten Stile zusammen. Ihr kräftiger Pinselstrich verbindet in wellenförmiger Bewegung die Wälder, Baumstämme, Himmel und Wasser des kanadischen Nordens. Alles vermischt sich miteinander und endet in einer großen Welle aus Grün für die Bäume, Blau für das Wasser, Braun für das Holz und Gelb für das Sonnenlicht. Öl auf Papier, 61,1 x 91,1 cm, Sammlung der Vancouver Art Gallery, Emily Carr Trust.Foto: Vancouver Art Gallery

Blütezeit der skandinavischen Kultur

Die Jahrzehnte um den Jahrhundertwechsel stellten eine Blütezeit der skandinavischen Kultur dar. Neben den Malern betrat eine neue Generation von Schriftstellern die literarische Bühne. So der Schwede August Strindberg, der als Wegbereiter des modernen europäischen Theaters gilt. Oder der Norweger Hendrik Ibsen, der gegen die Moral und den Kampf der Geschlechter antrat. Und Selma Lagerlöf, die als erste weibliche Schriftstellerin1909 den Nobelpreis für Literatur erhielt.

Ein Gemälde, das im Vordergrund wenige luftige Tannen zeigt, dahinter eine weite Bucht mit eisblauem Wasser und im Hintergrund dichten Wald und ein leuchtender Vollmond.
Akseli Gallen-Kallela, Frühlingsnacht, 1914. Eine von Bäumen umwaldete weite, einsame Bucht mit eiskaltem Wasser im Bild Frühlingsnacht des finnischen Künstlers Akseli Gallen-Kallela wird nur schwach von der ersten Frühlingssonne erwärmt. Die Reflektionen des Waldes und der Sonne im ruhigen Wasser bezeugen die ölige Schwere des kalten Meeres und die kurze Zeitspanne, in der das Licht den Norden erobert. Öl auf Leinwand, 115,5 x 115,6 cm, Lillehammer Art Museum, Depositum der Sparebankstiftelsen DNB.Foto: Camilla Damgård

Den Ursprungskräften nah

Während die Jahre vor der Jahrhundertwende in Kunst und Literatur von Symbolismus, Mystik und einem Gefühl der Schwermut geprägt waren, begann das neue Jahrhundert mit hellen und lebensfrohen Stimmungen. Was die Künstler verbindet, ist die zum Teil expressive Farbwahl, die in kräftigen Pinselstrichen die unendliche Wildnis des Nordens thematisiert. In den Bildern erscheint eine nordische Welt, die den ursprünglichen Kräften der Erde nahe ist, sie zeigen die Realität einer grandiosen Natur. Die Künstler malten das „nordische Licht“ und fühlten sich dem Land sehr verbunden.

Bild aus einer digitalen Installation des Künstlers Jakob Kudsk Steensen für die Fondation Beyeler, die sich in teilweise stark abstrahierten Sequenzen mit dem borealen Wald auseinandersetzt.
Im Auftrag der Fondation Beyeler hat der dänische Künstler Jakob Kudsk Steensen eine digitale Installation geschaffen, die in der Ausstellung „Nordlichter“ erstmals gezeigt wird. In „Boreal Dreams“ setzt der Künstler sich mit den Auswirkungen der Klimakrise auf das Ökosystem der borealen Zone auseinander, indem er virtuelle Landschaften erschafft, die auf wissenschaftlicher Datenerhebung aus Feldforschung und Gaming-Technologie beruhen. Live-Simulation, Courtesy Jakob Kudsk Steensen im Auftrag der Fondation Beyeler, Riehen/Basel.Video: Jakob Kudsk Steensen / Fondation Beyeler

Der boreale Wald als Ökosystem

Besonders eindrucksvoll stellt der zeitgenössische dänische Künstler Jakob Kudsk Steensen, Jahrgang 1987, im Park der Fondation Beyeler in der digitalen Installation „Boreal Dreams“ die Folgen der Klimakrise auf das Ökosystem dar. Der boreale Wald ist für die ökologische Stabilität der Erde eine besonders wichtige Region. Denn mit seiner Fähigkeit, das Sonnenlicht zu reflektieren, sowie als Kohlenstoffspeicher trägt er dazu bei, die globalen Temperaturen niedrig zu halten.


Auf den Displays erschafft Steensen mithilfe von wissenschaftlicher Datenerhebung und Gaming-Technologien virtuelle Welten. Diese simulieren die Folgen der Erderwärmung bei plus null Grad, plus 2,5, plus 4,5, plus 6,5 und plus 9 Grad. Demnach könnten Böden austrocknen oder Bakterien das Torfmoos überwuchern, wenn der Erderwärmung nicht Einhalt geboten wird. Boreal Dreams wurde in Zusammenarbeit mit der Northern Research Station des USDA Forest Service (United States Department of Agriculture) und mit deren wissenschaftlicher Unterstützung entwickelt.

Verletzlichkeit der Natur

Die Bilder der Ausstellung Nordlichter offenbaren, aus heutiger Sicht betrachtet, einen sentimentalen Blick auf die Natur, die heute aufgrund ihrer Verletzlichkeit durch den Klimawandel bewahrt werden muss. Das Bewusstsein, dass sich unsere Umwelt schnell verändert, ist offensichtlich. Die Landschaft erscheint heute nicht mehr nur als schöner Anblick, sondern als bedrohtes Ökosystem.


Der boreale Wald, der größte Urwald der Erde, erstreckt sich südlich und nördlich des Polarkreises über weite Teile Skandinaviens, Russlands und Kanadas. Er stellt mit seiner Landschaft, bestehend aus Nadelwald, Tundra, Seen und Mooren, einen wesentlichen Kohlenstoffspeicher dar und hält mit der Reflexion des Sonnenlichts die globale Temperatur niedrig.

Weitere Infos:

Die Ausstellung Nordlichter ist bis zum 25. Mai 2025 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet mittwochs bis 20 Uhr.

Fondation Beyeler, Baselstrasse 101, Riehen 4125, Schweiz

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