
„Allein für die Liebe“
Fünf Freunde – nein, nicht die Abenteuerbücher von Enid Blyton, sondern die amerikanischen Wegbereiter der Pop und Minimal Art, Happening und Fluxus zeigt derzeit das Museum Brandhorst in München: Robert Rauschenberg (1925–2008), Jasper Johns (*1930), Cy Twombly (1928–2011), Merce Cunningham (1919–2009) und John Cage (1912–1992). Ein Künstlerkreis, der nach dem Zweiten Weltkrieg die internationale Kunst-, Musik- und Tanzszene nachhaltig beeinflusst hat.
Wer noch nicht da war, kann dies nachholen, die Ausstellung läuft bis zum 17. August. Parallel dazu gibt es das reichhaltige Veranstaltungsprogramm „Festival Fünf Freunde”. Unter anderem mit Konzerten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks mit Werken von John Cage und mit einer Tanzwerkstatt nach Merce Cunningham, die ab morgen an den nächsten drei Juni-Donnerstagen stattfindet.
John Cage, fotografiert von Cy Twombly am Black Mountain College im Jahr 1952. Die Porträtaufnahme zeigt Cage am Steuer eines Wagens. © Cy Twombly Foundation / Scan: Nicole Wilhelms, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München. Udo und Anette Brandhorst Sammlung.Foto: Cy Twombly/Museum Brandhorst
Fünf Freunde, fünf Disziplinen
Die Freunde, die sich Anfang der 1950er-Jahre im legendären Black Mountain College in North Carolina kennengelernt haben, verband nicht nur die Liebe zur Modern Art. Am Black Mountain College erhielten sie Unterricht in den künstlerischen Fächern Theater, Literatur, Musik, Architektur und bildende Kunst.

Schmiede der amerikanischen Avantgarde
Das College war von 1933 bis 1957 berühmt für seine interdisziplinäre Ausbildung. Lehrkräfte, die unter anderem am Bauhaus in Dessau gelehrt haben, wie Josef und Anni Albers, Lyonel Feininger oder Walter Gropius, unterrichteten nun am Black Mountain College die zukünftige amerikanische Avantgarde. Später fanden sich die fünf Freunde dort ebenfalls als Dozenten wieder.

Fünf Freunde und noch mehr Disziplinen
Die Verbindung der Disziplinen Tanz und Musik durch die enge Freundschaft des Tänzers und Choreografen Merce Cunningham mit dem Komponisten und Musiker John Cage wurde ergänzt durch die bildlich gestaltenden Künstler. Die intensive Freundschaft führte zu gemeinsamen Projekten. Robert Rauschenberg und Jasper Johns schufen die Bühnenbilder und Kostüme für zahlreiche Inszenierungen der Merce Cunningham Dance Company. John Cage war zu Beginn der Manager der Company und bis zu seinem Tod der musikalische Direktor. Rauschenberg kümmerte sich mit Johns als künstlerischer Berater um die Beleuchtung, den Entwurf der Kostüme und Bühnenbilder.


Gemeinsames Arbeiten, Reisen, Sich-Lieben und Sich-Trennen
Die Maler wiederum ließen sich inspirieren von der Musik, den gemeinsamen Reisen, intensiven Gesprächen, Liebesbeziehungen und Trennungen. Sehr berührend zeigt die Ausstellung Liebesbriefe von Rauschenberg und Twombly, aber auch gemeinsame Arbeiten der beiden Künstler, wie das Combine Bed (1955) von Rauschenberg. Eine Kombination aus Malerei, Skulptur und Zeichnung. Ein Bett mit Patchwork-Decke und Kopfkissen, das augenscheinlich von beiden Künstlern mit Ölfarben, rotem Nagellack und gestreifter Zahnpasta bemalt wurde. Der obere Teil des Kissens zeigt Twomblys typische kritzelige Handschrift, während der Rest von Robert Rauschenberg gestaltet ist. Letzterer sagte zu der Arbeit: „Bed ist wie ein Bouquet einiger der schönsten Momente im Bett“.
Queer als Risiko
Die Liebe unter den Freunden war nicht ungefährlich in den USA der Nachkriegsjahre. Offensichtlich homosexuelle Beziehungen wurden während der McCarthy-Ära streng verfolgt, nur durch verdeckte Andeutungen oder Codes war die Kommunikation über queeres Begehren möglich.

Auseinandersetzung mit dem Kalten Krieg
Die Auseinandersetzung mit der politischen Lage in den USA durch den Kalten Krieg wurde Ende der 1940er-Jahre in den Werken der Künstler immer sichtbarer. Rauschenberg verarbeitete amerikanische Machtsymbole, wie Pistolen und Gewehre in seinen Combines. Jasper Johns ikonische Flaggen und Zielscheiben verweisen auf Staatsräson und Militärwesen.


Raumfahrt und Raketen
Auch die technologische Weiterentwicklung der Raumfahrt, die 1969 in der Landung der Raumfähre Apollo 11 auf dem Mond gipfelte, fand sich als Thema in den Werken von Twombly und Rauschenberg wieder. 1968 entwarf Twombly das Gemälde Orion III, das Bezug nimmt auf das nukleare Raketenprogramm der NASA. Kreisförmige Ringe steigern sich in Wellen explosionsartig auf einem Gemisch aus Dispersionsfarbe und Kreide, durchbrochen durch vertikale Linien und den typischen kritzeligen Schriftzeichen Twomblys mit Bleistift.

© Robert Rauschenberg Foundation.
Foto<. Robert Rauschenberg / VG Bild-Kunst, Bonn.
Rauschenbergs Projekt Stoned Moon entstand 1969-70 sogar im Auftrag der NASA. Hier verbindet Rauschenberg Fotografien, offizielle Bilder der NASA, mit Schriften. Aufsteigende Rauchwolken des Raketenstarts und die ersten Stiefelabdrücke auf der Mondoberfläche sind zu sehen. Eindrücke, die eine Mischung aus Beklommenheit und Staunen enthalten und das technologisch Erhabene vermitteln.

Aufmerksamkeit durch Stille, Leere, Abwesenheit
Stille, Leere und Abwesenheit stehen im Mittelpunkt vieler Arbeiten der Fünf Freunde. Die Aufmerksamkeit des Publikums soll auf Klänge, Gegenstände und Bewegungen gerichtet werden. Sie sind auf den ersten Blick nicht wahrnehmbar, nicht vorhersehbar und damit auch nicht kontrollierbar. Zufälligkeiten, Geräusche, Lichtspiele beeinflussen die Wahrnehmung und lenken die Betrachtung aufs Innere – vielleicht ein erlösender Ansatz in unserer Zeit der schnellen Bilder und widersprüchlichen Eindrücke.
Die Ausstellung Fünf Freunde ist bis zum 17. August 2025 im Museum Brandhorst zu sehen und wird mit dem Festival Fünf Freunde: Music, Dance & Performance im Rosensaal von Cy Twombly im Museum begleitet.